Mit dem Jahreswechsel stehen für Praxischefinnen und Praxischefs wichtige Änderungen im Hinblick auf Kooperationen, aber auch die Gestaltung der Praxisnachfolge an. Denn am 1. Januar 2024 tritt das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) in Kraft, das 2021 noch unter der Großen Koalition verabschiedet wurde. Anlass war das teilweise noch aus dem 19. Jahrhundert stammende Recht der Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR), das, so erläutert es die auf Medizinrecht spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei KWM LAW, den Interessen und den Bedürfnissen der Praxis schon lange nicht mehr gerecht worden sei.
In der Praxis seien viele vom Gesetz abweichende Regelungen in Gesellschaftsverträgen notwendig gewesen, was zu einer unübersichtlichen Anzahl teilweise divergierender Rechtsprechung geführt habe. Mit dem MoPeG, so die Experten vn KWM LAW, würden bestehende Regelungslücken geschlossen, Rechtsunsicherheiten beseitigt und ein weiteres „Auseinanderfallen“ von Gesetz, Rechtsprechung und gelebter Praxis gestoppt. Die künftigen Änderungen des Gesellschaftsrechts werden nach ihrer Ansicht auch spannend für bestehende Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) – die häufigste Form derzeit ist die Gemeinschaftspraxis – und Medizinische Versorgungszentren (MVZ) oder Zahnärzte, die entsprechende Kooperationen künftig eingehen möchten. Außerdem lohne es sich auch für Praxisumstrukturierungsbestrebungen und Praxisabgeber, sich frühzeitig mit den neuen Regelungen auseinanderzusetzen.
Zahnärzten bleibt Gestaltungsfreiheit erhalten
Wie sie explizit betonen, seien Zahnärzte weiterhin unter Beachtung der vertragszahnarzt- und berufsrechtlichen Vorgaben frei bei der Ausgestaltung ihrer Kooperation. Aufgrund der Gesetzesänderungen ergäben sich nunmehr sogar erheblich mehr (rechtliche) Gestaltungsräume im Hinblick auf Kooperationsvorhaben, Praxisumstrukturierungen und Nachfolgeplanungen.
Wie die unter anderem auf Zahnärzte spezialisierte Fuchs & Stolz Steuerberatungsgesellschaft verdeutlicht, fungierten nahezu alle zahnärztlichen BAG in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder als Partnerschaftsgesellschaft (PartG). Mit dem MoPeG habe der Gesetzgeber Änderungen an insgesamt 136 Gesetzen und Verordnungen verfügt, die sich auch auf bereits bestehende Gesellschaften auswirken könnten.
Wie die Steuerberater hervorheben, herrsche für Praxischefs kein Handlungszwang nach neuer Rechtslage. Nach wie vor werde demnach eine GbR durch die Errichtung eines Gesellschaftsvertrages gegründet, der keiner gesellschaftsrechtlichen Formvorschrift unterliege. Sie erinnern in diesem Kontext daran, dass ein GbR-Vertrag stets schriftlich abgeschlossen werden aollte.
Neu sei die mögliche Eintragung einer GbR in das Gesellschaftsregister. Die Eintragung in dieses neu geschaffene Gesellschaftsregister sei in der Regel nicht verpflichtend, sondern freiwillig. „Sowohl für noch zu gründende als auch für bereits bestehende GbR müssen die Gesellschafter prüfen und entscheiden, ob die Eintragung im Gesellschaftsregister notwendig ist. Grundsätzlich wird es für ärztliche bzw. zahnärztliche Berufsausübungsgesellschaften hilfreich sein, wenn diese im Gesellschaftsregister eingetragen werden“, so Fuchs & Stolz.
Bei Registereintrag sind Änderungen stets anzuzeigen
Die Eintragung biete den Vorteil, dass mehr Rechtssicherheit und Transparenz im Rechtsverkehr entstehe, da die Existenz, die Identität und die zulässige Vertretung der Gesellschaft im Gesellschaftsregister festgehalten werde. Das könne den Geschäftspartnern die Zusammenarbeit erleichtern. Denn durch einen Registerauszug könnten die Existenz sowie die Vertretungsbefugnisse zweifelsfrei nachgewiesen werden. Zudem könne eine GbR, die im Gesellschaftsregister eingetragen ist, künftig direkt als solche Immobilienbesitz erwerben und dies ins Grundbuch eintragen lassen. Zu bedenken hätten GbR-Partner jedoch bei einer Eintragung ins Gesellschaftsregister, dass dann bestimmte Änderungen bei der Gesellschaft stets dort anzumelden seien. Alle GbR, die in das Gesellschaftsregister eingetragen seien, müssten als Namenszusatz die Bezeichnung „eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ oder kurz „eGbR“ führen.
Nach dem MoPeG können die Gesellschafter der rechtsfähigen GbR die Gesellschaft bei dem Gericht, in dessen Bezirk sie ihren Sitz hat, zur Eintragung in das Gesellschaftsregister anmelden (§ 707 Abs. 1 BGB-E). Eine Pflicht zur Eintragung besteht demnach aber im Grundsatz nicht. Die Eintragung in das Gesellschaftsregister ist fakultativ.
Gesetzgeber verfolgt Transparenzgedanken
Wie das auf das Gesundheitswesen spezialisierte Netzwerk der ETL-Rechtsanwälte verdeutlicht, sei die GbR im Gegensatz zu den anderen Personengesellschaften OHG, KG und Partnerschaftsgesellschaft nicht mit Registerpublizität ausgestattet, bestehe insofern ein Publizitätsdefizit. „Der Gesetzgeber hat ein Publizitätsdefizit und damit ein Bedürfnis des Rechtsverkehrs nach Transparenz erkannt. Die Eintragung einer GbR in ein Register war in der Vergangenheit nicht möglich, dies mit der Folge, dass sich solche Gesellschaften oftmals im Verborgenen aufhielten. So war es etwa nicht möglich, durch Einsicht in ein Register zu prüfen, wer die GbR gegenüber Dritten vertreten kann“, schreiben die ETL-Rechtsanwälte in ihrem Online-FAQ zum MoPeG.
Von einer Pflicht zur Eintragung in das Gesellschaftsregister würden des Weiteren insbesondere Gesellschaften betroffen sein, die als Eigentümer eines Grundstücks im Grundbuch eingetragen sind oder etwa Anteile an einer GmbH halten. Ebenso müssten GbR, die eine Umwandlung nach dem Umwandlungsgesetz oder einen identitätswahrenden Statuswechsel vollziehen möchten, zunächst eine Eintragung im neuen Gesellschaftsregister vornehmen. Näheres zum Statuswechsel sei vor allem in § 707c BGB-E ausgeführt, der zum Jahreswechsel greift.
Ergänzend heißt es, der Grundsatz, dass es keine umfassende Pflicht zur Eintragung geben werde, sei vor dem Hintergrund zu betrachten, dass der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung trage, dass sich hinter dem Kürzel „GbR“ in der Rechtspraxis äußerst unterschiedliche Zusammenschlüsse von Personen verbergen und demnach nicht in allen Fällen ein Publizitätsbedürfnis bestehe.
Voraussetzung für Eintragungen in andere Register
Die Mainzer Kanzlei Messner Rechtsanwälte lenkt die Aufmerksamkeit auf die Beteiligung einer GbR an Rechtsgeschäften, die die Eintragung in ein anderes Register fordern, wie beispielsweise Grundstückskäufe, GmbH-Anteilskäufe, Aktienerwerb oder auch Markenrechterwerb. Dafür müsse diese GbR in das neue Gesellschaftsregister eingetragen sein. „Bei Erwerb von Grundstücken wird die Gesellschaft als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen und muss somit zuvor im Gesellschaftsregister gelistet sein. Das gleiche gilt, wenn eine GbR GmbH-Anteile erwirbt. In diesem Fall wird die GbR als Eigentümerin bzw. als Gesellschafterin im Handelsregister beim Amtsgericht eingetragen und beim Notar beurkundet. Das gleiche gilt, wenn eine GbR Aktien, Marken, Patente, Gebrauchsmuster und ähnliches erwerben möchte, weil diese Erwerbsvorgänge in öffentliche Register mit dem entsprechenden Rechteinhaber eingetragen werden müssen“, erläutern die Anwälte in ihrem Newsletter.
Gravierende Änderungen im Falle des Ausscheidens eines Partners
Die Steuerberater von Fuchs & Stolz ergänzen, dass sich zwar am Grundsatz, dass für die Verbindlichkeiten der GbR alle Gesellschafter unbeschränkt hafteten, nichts ändere. „Gravierende Änderungen sieht das MoPeG bei den Bestimmungen hinsichtlich des Ausscheidens eines Gesellschafters bzw. bei Beendigung der Gesellschaft vor. Kündigt ein Gesellschafter oder verstirbt ein solcher, sah das Gesetz bisher die Beendigung der Gesellschaft und damit die Liquidation vor. Künftig wird die Gesellschaft in solchen Fällen durch die verbleibenden Gesellschafter fortgeführt“, informieren sie in ihrem Newsletter.
Zudem sei geregelt, dass der ausscheidende Gesellschafter für den Verlust seiner Beteiligung eine angemessene Abfindung erhalte. Dies könne bei sogenannten Altgesellschaften den Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag widersprechen. „Falls bezüglich der Geschäftsführung keine Regelungen getroffen werden, gilt der Grundsatz der gemeinschaftlichen Geschäftsführungsbefugnis. Modifizierende Regelungen hinsichtlich der Geschäftsführung im Gesellschaftsvertrag sind möglich und sollten dann auch im Gesellschaftsregister eingetragen werden“, raten sie. Grundsätzlich habe jeder Gesellschafter einer GbR das gleiche Stimmrecht und den gleichen Anspruch auf den Anteil am Gewinn. Abweichendes könne vereinbart werden.
Wie Juristen und Steuerberater unisono anmerken, seien zur organschaftlichen Vertretung der Gesellschaft nach § 720 Absatz 1 BGB alle Gesellschafter gemeinsam berechtigt und verpflichtet. Auch hier sei es zulässig, im Gesellschaftsvertrag abweichende Regelungen vorzusehen, etwa die Übertragung zur Vornahme bestimmter Geschäfte einen oder mehrere der Gesellschaft zu ermächtigten.
Neuregelung der Befugnisse
Wie die Zahnärztekammer Hamburg und die dortige Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZV) auf ihrem gemeinsamen Webauftritt im Hinblick auf das MoPeG erklären, sei zudem der Umstand neu, „dass die bislang (unscharfen) Regelungen der Geschäftsführungsbefugnis in § 715 und die Vertretungsbefugnis § 720 BGB strikt voneinander getrennt werden.
Die Führung der Geschäfte der Gesellschaft sind nunmehr als Pflichtrecht aller Gesellschafter normiert. Sie bezieht sich auf alle Geschäfte, die die Teilnahme der Gesellschaft am gewöhnlichen Rechtsverkehr mit sich bringt, also z. B. den Abschluss von Behandlungsverträgen. Für besondere Geschäfte kann die Geschäftsführungsbefugnis nach § 715 Absatz 3 BGB einem oder mehreren Gesellschaftern zugewiesen werden. Vorgesehen ist ergänzend das Widerspruchsrecht zur Vornahme bestimmter Geschäfte sowie die Entziehung der einen Gesellschafter erteilten Geschäftsführungsbefugnis, insbesondere im Falle grober Pflichtverletzungen.“
KZV-Zulassungsausschuss prüft weiterhin
Ein sehr wichtiger Punkt, der auch nicht vergessen werden darf, ist, dass der Zulassungsausschuss der zuständigen KZV weiterhin Verträge, die zahnärztliche Berufsausübungsgemeinschaften in der Rechtsform einer GbR aufsetzen, soweit die vertragszahnärztliche Versorgung Zweck der Gesellschaft ist, genehmigen muss, dieser also auch nach neuer Rechtslage nicht außen vor ist. Dort würden, so die Hamburger Zahnärzte, die Gesellschaftsverträge im Hinblick auf die Einhaltung vertragszahnärztlicher Vorgaben geprüft und bejahendenfalls genehmigt.
Zur weiteren Klarstellung für Praxischefs heißt es dort explizit: „Regelmäßig nicht geprüft wird indes, ob (neben den vertragszahnärztlichen Vorgaben) die weiteren rechtlichen Regelungen des Gesellschaftsvertrages mit den Vorschriften des BGB sowie der einhergehenden Rechtsprechung im Einklang stehen. In der Konsequenz bedeutet dies, dass Vereinbarungen, die gegen zwingende Regelungen des BGB – künftig nach MoPeG – verstoßen, in die Risikosphäre der Parteien fallen. Anders formuliert, die Regelungen auch bereits bestehender Gesellschaftsverträge müssen sich an den Neuregelungen der §§ 705ff. BGB messen lassen.“
Noch kein Freifahrtschein für OHG, KG, GmbH& Co. KG
Entgegen der Appelle vieler Kanzleien und Steuerberater, dringend bestehende Gesellschaftsverträge auf die neue Rechtslage nach MoPeG überprüfen zu lassen, geben die Hamburger Zahnärzte eher ein Entwarnungssignal. Gesellschaftsverträge, die bereits Regelungen vorsähen, die diese Neuregelungen des BGB berücksichtigen, dürften kaum Anlass zur Vertragsanpassung geben, so deren Einschätzung. Handlungsbedarf bestehe aber, sofern Gesellschaftsverträge pauschal auf bestimmte Paragraphen des BGB Bezug nähmen. Dann sei anzuraten, diese Verträge unter Berücksichtigung der neuen Kodifizierung des BGB-Gesellschaftsrechts zu überprüfen – dies gelte insbesondere im Hinblick auf die vom Gesetz vorgesehenen Regelungen zur Gewinn- und Verlustverteilung, Ausübung von Stimmrechten und den Beschlussfassungen in der Gesellschafterversammlung.
Der Gesetzgeber will nunmehr mit dem Ziel einer Flexibilisierung der Haftungsverhältnisse von Angehörigen freier Berufe einen weitergehenden Gestaltungsspielraum schaffen. Welche Optionen das MoPeG ab dem Jahreswechsel Praxischefinnen und Praxischefs realiter bietet, hängt noch von anderen als den gesellschaftsrechtlichen Faktoren ab. Wie die ETL-Juristen hinweisen, solle die Personenhandelsgesellschaft nach § 107 Abs. 1 S. 2 HGB grundsätzlich für die freien Berufe geöffnet werden. Aktuell stehe die OHG und KG den Angehörigen freier Berufe, darunter Zahnärzten, als Rechtsform aber nicht zur Verfügung, weil deren Gesellschaftszweck nicht auf den Betrieb eines Handelsgewerbes gerichtet sei und sich deren Firma auch nicht im Handelsregister eintragen lassen könne.
Dazu schreibt KWM LAW ergänzend: „Ob also die (gesellschaftsrechtliche) Öffnung der Rechtsformen der OHG, KG, GmbH& Co. KG für freie Berufe künftig auch für (Zahn)Ärzte in der Praxis tatsächliche Relevanz entfalten kann, hängt im Wesentlichen von der Entwicklung der vertrags(zahn)arzt- sowie berufsrechtlichen Regelungen ab. Sollte vor allem das standesrechtliche Leitbild des (zahn)ärztlichen Berufs auch dahingehend eine Entwicklung erfahren, würde die Öffnung dieser Rechtsformen für die (zahn)ärztlichen Praxisstruktur erhebliche (steuer-)rechtliche Möglichkeiten – vor allem bei der Praxisabgabe – mit sich bringen.“