Praxismanagement
Wer eine Arztpraxis hat, beschäftigt im Regelfall auch Mitarbeiter. Doch nicht jeder gute Arzt ist automatisch auch eine geborene Führungskraft. Sich ein paar Dinge bewusst…
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Wer gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter will, muss Teamneulinge entsprechend gut einarbeiten. Praxismanagerin Silke Hagemann verrät, was zu einem strukturierten Onboarding alles dazugehört.
Das Wichtigste in Kürze
Das Risiko, dass neue Mitarbeitende eine Arztpraxis bereits in den ersten Monaten wieder verlassen, ist vergleichsweise hoch. Umso wichtiger ist eine strukturierte Willkommenskultur. Doch worauf sollte man beim Onboarding neuer Medizinischer Fachangestellter, aber auch neuer Ärzte achten? Eine, die sich mit dem „An Bord holen“ in die neue Arbeitsumgebung gut auskennt, ist Praxismanagerin Silke Hagemann. 1989 machte die 52-Jährige die Ausbildung zur MFA, seit 1993 ist sie als Praxisleitung die rechte Hand des Chefs und hat seither selbst diverse Mitarbeitende eingearbeitet. Sie arbeitet in einer Hausarztpraxis im niedersächsischen Gronau mit aktuell fünf Mitarbeitenden.
Viel zu oft gehe man in Arztpraxen davon aus: „Die Neue“ habe doch MFA gelernt, „dann wird sie das schon können“, beobachtet die Praxismanagerin. Nur: Zum Onboarding gehört deutlich mehr dazu, als auf die Schnelle zu zeigen, wo sich das medizinische Zubehör befindet. Nur mit Struktur ließen sich ein reibungsloser Übergangs- und Wissenstransfer, aber auch der Schutz sensibler Patientendaten und Praxisinformationen gewährleisten und rechtliche sowie organisatorische Risiken minimieren.
Nicht zuletzt trägt ein professionelles Onboarding – übrigens ebenso wie das strukturierte Offboarding – zudem wesentlich zur positiven Stimmung innerhalb des Praxisteams bei. Hagemann selbst hat sich ein Einarbeitungsgerüst erarbeitet, das sie dann an die jeweiligen Bedürfnisse des neuen Mitarbeiters oder der neuen Mitarbeiterin anpasst. Wissen, das sie gerne weitergibt. Neben fachlichen Fortbildungen wie Qualitätsmanagement oder Praxismanagement ließ sich Hagemann auch zur datentechnischen Fachkraft für die Arztpraxis und zur Lehrenden weiterbilden. Unter anderem ist sie Referentin beim Verband medizinischer Fachberufe.
Generell rät sie beim Onboarding zu einer Reihe von Maßnahmen.
Verantwortlichkeit: Im Praxisteam muss klar benannt sein, wer für die Einarbeitung der neuen Fachkraft verantwortlich zeichnet. Diese Person trifft dann entsprechende Vorbereitungen für den ersten Arbeitstag, kümmert sich um eine strukturierte Startphase und sollte gleichzeitig Vertrauensperson sein, um den Einstieg zu erleichtern. Bei konkreten Fragen ansprechen darf eine neue Arbeitskraft später selbstverständlich sämtliche Teammitglieder.
Vorbereitungen: Das Onboarding beginnt nicht erst am ersten Arbeitstag, sondern nach der Vertragsunterschrift, im betriebswirtschaftlichen Sprech ist die Rede von einer Preboarding-Phase. Die Verantwortliche sollte sich schon im Vorfeld schlau machen, welche Qualifikationen der oder die „Neue“ mitbringt oder etwa auch für wie viele Stunde pro Woche und für welchen Fachbereich sie eingestellt wurde. Kontakt per E-Mail sorgt für eine frühzeitige Bindung; neuen Mitarbeitenden hilft es, rechtzeitig zu wissen, welche Kleidung sie am ersten Arbeitstag tragen, welche Dokumente sowie Informationen sie dabei haben sollten und bei wem sie sich zum Start melden können.
Der erste Arbeitstag: Am ersten Arbeitstag muss die Praxiskleidung vorbereitet sein. Es müssen Kompetenzen abgeklärt werden. Darf die neue Mitarbeiterin etwa den Tresor bedienen? Muss sie in die Alarmanlage eingewiesen werden? Bekommt sie einen Praxisschlüssel? Auch rechtliche Dinge wie Schweigepflicht, Datenschutz oder der Hygieneplan sind durchzugehen.
Willkommenspaket: Silke Hagemann nimmt neue Mitarbeitende stets mit einem kleinen Carepaket in Empfang zum Beispiel mit Notizheft sowie Kugelschreiber, einer Kleinigkeit zum Naschen und einem Getränk. Dieses bekommen nicht nur neue MFA. Auch ein neuer Arzt oder eine neue Ärztin im Team wird mit einem entsprechenden Präsent empfangen.
Praxisabläufe: Es braucht eine Einweisung in Zuständigkeiten innerhalb des Kollegenteams sowie in die Arbeitsabläufe der Praxis, Informationen, wo sich welches Zubehör befindet, und je nach Vorkenntnissen eine Einarbeitung ins Computersystem. Optimal sei, sagt Hagemann, wenn dies an einem separaten Tag geschehe – im Idealfall ohne Praxisbetrieb oder zumindest mit weniger Sprechstunden. Eingeführt werden muss außerdem in die einheitliche Kommunikation der Praxis: Wie wird etwa im Zuge der Terminvergabe mit Patienten kommuniziert?
Integration: Um von Beginn an eine Integration ins Praxisteam zu ermöglichen, empfiehlt Silke Hagemann: Es sollte Zeit eingeplant werden, um „sich gegenseitig zu beschnuppern“. Alle Mitarbeitenden sollten ihren Arbeitsbereich kurz vorstellen. Gleichzeitig sollte das Team informiert werden, für welche Arbeiten die neue Fachkraft vorgesehen ist sowie in welche Bereiche sie eingearbeitet werden sollte und wer sich darum jeweils kümmert.
Nicht selten ist dies eine Herausforderung, weil der Kollege oder die Kollegin, die zuvor zuständig war, bereits gekündigt hat und sich aktuell eine Ersatzkraft kümmert. Warum nicht, den Neuling schon vor dem ersten Arbeitstag zu einem Teamevent oder einem gemeinsamen Feierabendgetränk einladen sowie auf die Art frühzeitig ins Team integrieren?
Einarbeitungsphase: An den ersten Tagen kann es sich – je nach Einarbeitungsplan – anbieten, dass neue Mitarbeitende erst einmal im künftigen Zuständigkeitsgebiet „mitlaufen“, um in interne Strukturen eingearbeitet zu werden. „Wirklich gutes Einarbeiten bedeutet, dies mit System zu tun“, sagt Silke Hagemann. Eventuell müsse man hier auch Praxisinhabern „einen Zahn ziehen“ und die dafür nötige Zeit einfordern. Auch interne oder externe Schulungen können hilfreich sein.
Checklisten: Praxismanagerin Silke Hagemann arbeitet gern mit Checklisten, die nicht nur den „Neuen“ helfen, sondern auch dem gestandenen Team gerade bei selteneren Arbeitsvorgängen wie etwa dem Spülen des Ports: Welche Unterlagen, Instrumente und Materialien braucht der Arzt? In welcher Reihenfolge werden sie steril angereicht? Hilfreich seien Checklisten zudem gerade auch im Umgang mit Geräten: Wie stelle ich zum Beispiel vom Blutdruckmessgerät eine Verbindung zum PC her, um Daten zu überspielen? Auch im Labor sowie im Notfallmanagement rät Hagemann zu Checklisten. Wo steht der Notfallkoffer, wie ist er aufgebaut?
Qualitätsmanagement: Neue Arbeitskräfte schauen mit unvoreingenommenem Blick auf Arbeitsabläufe und Co, darin liegt laut Hagemann eine große Chance fürs Qualitätsmanagement. Sie rät zum offenen Ohr für neuen Input. Ein „das haben wir schon immer so gemacht“, sei grundfalsch. Zumal konstruktives Feedback und Gegenfeedback zu einer wertschätzenden, vertrauensvollen Unternehmenskultur beitragen.
Patientenkontakt: Nicht nur fürs Praxisteam, auch für Patientinnen und Patienten bedeuten neue Mitarbeitende eine Umgewöhnung. Zu Namensschildchen rät Hagemann zwar generell, bei neuen Teamkollegen aber sind sie Pflicht.
Zusätzliche Zeit kostet das Onboarding eines neuen Arztes oder einer neuen Ärztin ins Team, weil bei Einrichtung der EDV etwa auch Softwareanbieter ins Boot zu holen sind. Die lebenslange Arztnummer muss bekannt sein, der Heilberufe-Ausweis muss rechtzeitig vorliegen. Und entscheidend für die Abrechnung ist, ob es sich um einen angestellten Arzt oder einen neuen Mitinhaber handelt, ebenso die Stundenzahl. Welche Zulassungen hat er, darf er beispielsweise Ultraschalluntersuchungen oder etwa auch HZV-Verträge machen? Darf er Psychoziffern abrechnen? Darf man unter der neuen Ärztin eine VERAH oder NäPA abrechnen?
Punkte wie diese sind laut Praxismanagerin Silke Hagemann unbedingt vor dem ersten Arbeitstag abzuklären. Das Praxisteam ist entsprechend einzuweisen. Für die Einarbeitung gut zu wissen ist auch: Hat der neue Arzt zuvor bereits im ambulanten System gearbeitet oder aber kommt er direkt aus der Klinik und muss erst noch ins Abrechnungssystem eingeführt werden? Hier kann es sich anbieten, mit einer Online-EDV-Präsentation zu arbeiten oder auf externe Anbieter zurückzugreifen: Die KV etwa bietet Schulungen zur Honorarabrechnung an.
Quelle: www.aerztezeitung.de
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