
Praxismanagement
Wer eine Arztpraxis hat, beschäftigt im Regelfall auch Mitarbeiter. Doch nicht jeder gute Arzt ist automatisch auch eine geborene Führungskraft. Sich ein paar Dinge bewusst…
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Karl Lauterbach ist als Ampel-Bundesgesundheitsminister Geschichte. Das findet die Mehrheit der verfassten Zahnärzteschaft auch gut so. Die Nachfolge im Amt hat die Juristin Nina Warken angetreten. Zur Erleichterung nicht nur der gesundheitspolitischen Vertreter der zahnärztlichen Selbstverwaltung hat sie versprochen, Entscheidungen im Dialog mit den betroffenen Berufsgruppen herbeiführen zu wollen. Das bringt ihr Vorschusslorbeeren ein.
Nach der jüngsten Bundestagswahl am 23. Februar war lange unklar, wer neuer Bundesgesundheitsminister werden solle. Die verfasste Zahnärzteschaft, aber auch deren Pendants bei den Ärzten und Psychotherapeuten sowie anderen Leistungserbringern im deutschen Gesundheitswesen, hofften inständig, dass der derweil geschäftsführende Amtsinhaber Professor Karl Lauterbach (SPD) nicht an der Ressortspitze im Bundesgesundheitsministerium (BMG) verweilen würde. Sie warfen ihm mangelnde Dialogfähigkeit vor, die sich in den vom BMG initiierten Legislativprozessen widergespiegelt habe.
Dann das Aufatmen: Im 21. Deutschen Bundestag sitzt Lauterbach nicht mehr auf der Regierungsbank. Er ist neuer Vorsitzender des Ausschusses für Forschung, Technologie, Raumfahrt und Technikfolgenabschätzung. Im Chefsessel des BMG sitzt nun – entgegen aller vorangegangener Spekulationen – Nina Warken. Die 45-jährige Juristin aus Tauberbischofsheim ist seit 2013 mit einjähriger Unterbrechung Mitglied im Bundestag und hatte ihren Fokus, wie sie bei der Amtseinführung im BMG bekundete, auf der Innen- und Rechtspolitik. Reichlich Erfahrung sammeln konnte sie in puncto Kompromisse herbeizuführen bei divergierenden Interessenkonstellationen in ihrer Funktion als Parlamentarische Geschäftsführerin der Union.
Warken betonte bei ihrer Amtseinführung am 7. Mai im BMG, die Expertise ihres Hauses für die anstehenden Reformen nutzen zu wollen. An die gesundheitspolitischen Vertreter der verschiedenen Akteure im Gesundheitswesen bekundete sie ihren expliziten Willen zum Dialog: „Um die anstehenden Herausforderungen zu bewältigen, werden wir mit allen Beteiligten in den Austausch gehen. Das muss ein Dialog auf Augenhöhe sein, der Offenheit auch für andere Meinungen erfordert. Ich bin überzeugt, dass wir dann am Ende auch gute Regelungen finden und die Richtigen davon profitieren: die Patientinnen und Patienten, die Pflegebedürftigen, aber auch die zahlreichen Beschäftigten unseres Gesundheitswesens, die jeden Tag – und auch jede Nacht – dafür sorgen, dass denen Hilfe zu Teil wird, die sie brauchen. Sie verdienen unseren besonderen Respekt und brauchen gute Arbeitsbedingungen, die ihren Alltag erleichtern.“
Für die verfasste Zahnärzteschaft im Ländle ist der Wechsel an der BMG-Spitze ein gutes Signal für die nahe Zukunft. Auch wenn Gesundheitsthemen bislang nicht den Schwerpunkt ihrer Arbeit bildeten, erwarten die Kassenzahnärztliche Vereinigung und die Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg, dass Warken sich für den Erhalt wohnortnaher Versorgungsstrukturen sowohl bei den ambulanten Praxen als auch bei Kliniken und Apotheken einsetzen werde, wie es in einer gemeinsamen Mitteilung heißt.
„Ich habe Nina Warken als eine Politikerin kennengelernt, die den Austausch sucht und ernst nimmt. Besonders beim letzten Landesparteitag in Stuttgart war zu spüren, dass sie sich für die Anliegen der Gesundheitsberufe interessiert und das Gespräch auf Augenhöhe schätzt. Das unterscheidet sie wohltuend von der Art und Weise, wie in der Vergangenheit oft agiert wurde. Ich bin überzeugt, dass sie mit ihrer Offenheit und Dialogbereitschaft eine gute Gesundheitsministerin sein wird“, so Dr. Torsten Tomppert, Vorstandsvorsitzender der KZV und Präsident der LZÄK. Und ergänzt: „In der Gesundheitspolitik zählen nicht nur Titel, sondern der Wille zur Vernetzung, ein Verständnis für die Versorgung vor Ort und die Bereitschaft, die Praxisrealität der Menschen in Entscheidungen einzubeziehen. Erfahrung und Expertise entwickeln sich häufig aus diesem ernsthaften Engagement – und genau das traue ich Nina Warken zu.“
Bei der Vorstellung des Regierungsprogramms Mitte Mai im Bundestag fokussierte Warken die Großbaustellen Klinikreform, GKV-Finanzen und Pflege. „Gesundheit und Wohlergehen sind unser wichtigstes Gut, und dazu brauchen wir Bedingungen, die Gesundheit fördern und erhalten. Und genau darum geht es jetzt. Wir werden dafür ab sofort und in den nächsten Jahren die Grundlagen schaffen“, so Warken.
Ihre Zustandsdiagnose: „Wir haben es hier mit ineffizienten Strukturen, mit fehlender Nachhaltigkeit bei der Finanzierung, mit Fachkräftemangel, mit unzureichender Digitalisierung, mit einem Übermaß an Bürokratie zu tun. Viele dieser Herausforderungen kennen wir auch aus anderen Sektoren. Aber es ist doch etwas anderes. Schwächen in der Gesundheitsversorgung vom ambulanten und stationären Sektor bis hin zum öffentlichen Gesundheitsdienst oder Schwächen in der Pflege haben eine besondere Tragweite; denn sie berühren die Menschen unmittelbar, sie beeinträchtigen ihren Alltag, ihre Lebensqualität, ihre Gesundheit. Daher ist hier unsere besondere Aufmerksamkeit gefordert, und daher wollen wir als Koalition alles daransetzen, unser Gesundheitssystem besser zu machen.“
Dabei gehe es nicht nur um die Patienten, sondern auch um die hoch qualifizierten und motivierten Beschäftigten im Gesundheitswesen, die einen Anspruch auf gute Arbeitsbedingungen hätten. Man werde „so viel mehr erreichen, wenn wir den Beschäftigten in den Gesundheitsberufen mehr zuhören, wie ihre Arbeit effektiver gestaltet werden kann, wo die Hemmnisse in ihrem Arbeitsalltag liegen, welche Bedingungen sie benötigen, um die Patientinnen und Patienten noch besser zu versorgen. Wir wollen daher nicht nur die Vertrauenskultur stärken, sondern ebenso die Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der einzelnen Gesundheitsberufe.“
Hier liege das größte Potenzial. Warken adressiert u.a. gezielt die Bürokratielast, unter der nicht nur die Vertragszahnärztinnen und -zahnärzte leiden: „Wir sorgen dafür, dass Ärztinnen und Ärzte – ob im Krankenhaus, ob in der Praxis – weniger Zeit für die Bürokratie aufbringen müssen. Sie sollen dafür wieder mehr Zeit für die Behandlung ihrer Patientinnen und Patienten haben. Dafür haben sie ihren Beruf schließlich auch gewählt.“ Explizit versprach sie, den Dialog mit den Akteuren der Selbstverwaltung zu suchen – und zu pflegen.
Zudem sollen die Gesundheitswirtschaft, die Medizintechnik und die Pharmaindustrie als Leitindustrien gestärkt werden. „Das ist gut und wichtig für den Standort Deutschland und für Europa“, so Warken. Des Weiteren solle der Transformationsfonds – das Investitionsprogramm für Krankenhäuser – aus dem Sondervermögen Infrastruktur finanziert werden. „Denn es ist nur folgerichtig: Die Kosten für den Umbau der Krankenhauslandschaft dürfen nicht allein von den Beitragszahlern geschultert werden. Es handelt sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, so die Ministerin. Die Reform der Notfallversorgung wolle sie ebenfalls rasch angehen.
Warken gab auch ihr Bekenntnis zur weiteren Digitalisierung des Gesundheitswesens ab, „denn ein modernes Gesundheitssystem ist undenkbar ohne digitale Lösungen. Die laufende Einführung der elektronischen Patientenakte werden wir weiterhin eng begleiten. Klar ist dabei: Wir werden ein besonderes Augenmerk auf die Sicherheit und die Stabilität des Betriebs legen. Die Bürgerinnen und Bürger sind da zu Recht sensibel. Dem müssen wir auch gerecht werden.“ Zudem werde es bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen jetzt darum gehen, die Interoperabilität zu schaffen, also Schnittstellen zwischen den einzelnen Systemen zu überwinden. „Unsere Messlatte ist auch dabei immer der konkrete Nutzen für die Patientinnen und Patienten“, so Warken. Mit Blick auf die baldige Stabilisierung der Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen merkte sie an, es werde nicht ohne kurzfristige Maßnahmen gehen. Das gelte auch für die Pflegeversicherung.
Bekenntnis beim Deutschen Ärztetag in Leipzig
Ihren ersten großen Auftritt als neue Bundesgesundheitsministerin hatte Warken dann Ende Mai in Leipzig auf der Bühne des 129. Deutschen Ärztetages. In ihrer Rede warb sie auch hier für eine gute Zusammenarbeit auf Augenhöhe. „An gemeinsamen Themen und Herausforderungen herrscht kein Mangel. Lassen Sie uns diese Aufgaben mit Mut und Zuversicht angehen. Lassen Sie uns diese Aufgaben gemeinsam angehen! Denn wir brauchen Reformen von allen Beteiligten. Hier möchte ich auch besonders an Sie – die Ärzteschaft – appellieren, diese notwendigen Veränderungen mit uns gemeinsam anzugehen. Ohne Sie geht es nicht, wir bauen auf Sie!“
Für wenig Begeisterung sorgte bei der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) indes das Votum des Leipziger Ärztetages bezüglich der Novellierung der GOÄ, das auch unter den verschiedenen Facharztgruppen höchst umstritten ist. Die Delegierten haben die Bundesärztekammer (BÄK) beauftragt, den von ihr und dem PKV-Verband konsentierten Entwurf für eine neue GOÄ der Bundesregierung mit einer Aufforderung zur Umsetzung zu übergeben. Die Bundesregierung werde damit nachdrücklich an ihre Pflicht erinnert, ein jahrzehntelang währendes Versäumnis der Vorgängerregierungen aus der Welt zu schaffen, teilte die BZÄK mit. Erlass und Weiterentwicklung der GOÄ ist Aufgabe der Bundesregierung. Allein diese ist berufen, „durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Entgelte für ärztliche Tätigkeit in einer Gebührenordnung zu regeln“. Eine Aufgabe, der sich die Bundesregierungen der vergangenen Jahre, wie die BZÄK moniert, jedoch – genau wie bei der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) – entzogen hätten.
In einer gemeinsamen Mitteilung warnen BZÄK, DGZMK (Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde), DGMKG (Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie) und BDO (Berufsverband Deutscher Oralchirurgen) eindringlich davor, den zwischen BÄK und PKV-Verband ausgehandelten GOÄ-Kompromiss als Vorlage für eine Novellierung der GOZ zu sehen. Wenn der Staat die Vereinbarung über die (zahn-)ärztliche Vergütung dem Markt entziehe und ein eigenes Gebührenrecht schaffe, dann müsse er sich auch um dessen Aktualität kümmern. Die ungeliebte Aufgabe auf die Betroffenen abzuschieben sei und bleibe komplettes Staatsversagen. so der Tenor.
Der BZÄK-Vorstand werde sich im Detail mit dem vom Ärztetag beschlossenen GOÄ-Entwurf befassen und dessen Konsequenzen analysieren, heißt es weiter. Bereits jetzt stehe allerdings fest: „Die Abschaffung des nicht zuletzt auch die Patientinnen und Patienten schützenden Gebührenrahmens, die Einschränkungen bei der analogen Berechnung neuer Leistungen und die weitere Bürokratisierung der abweichenden Vereinbarung würden die GOZ von einer Gebührenordnung in eine Erstattungsordnung verwandeln. Mit einer Gebührenordnung eines freien Berufes hätte das nichts mehr zu tun.“
Die BZÄK weist darauf hin, „dass aus diesem Grund bei der im Zuge der GOÄ-Novelle notwendigen Anpassung von § 6 Abs. 2 GOZ jedes Präjudiz zu vermeiden ist. § 6 Abs. 2 GOZ wird daher zukünftig zunächst auf die heute geltende GOÄ verweisen müssen, um eine Vermischung der Systeme zu vermeiden.“
Die BZÄK steckt ihre Erwartungshaltung an Warken aber nicht nur in puncto GOÄneu ab. Sie appelliert an die Politik, verstärkt in präventive Maßnahmen zu investieren, um das überforderte Gesundheitssystem nachhaltig zu entlasten. Prävention möge zunächst Kosten verursachen, doch langfristig zahle sie sich aus und spare erhebliche Mittel ein, so das Credo. Hier habe die Zahnmedizin über die letzten drei Jahrzehnte wertvolle Erfahrungen gesammelt. „Präventive Maßnahmen sind der Schlüssel zur Reduzierung von Krankheitslast und Gesundheitskosten“, so BZÄK-Präsident Professor Christoph Benz. Und ergänzt: „Durch frühzeitige Intervention, Aufklärung und Gesundheitsförderung können wir die Entstehung vieler Krankheiten verhindern und somit die Belastung unseres Gesundheitssystems erheblich verringern.“
Ein hervorragendes Beispiel für die Wirksamkeit von Prävention sei eben die Zahnmedizin. Durch regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen, Professionelle Zahnreinigungen und Aufklärung über Mundhygiene konnten die Fälle von Karies und Parodontitis erheblich reduziert werden, so Benz. Bei 35- bis 44-Jährigen sei zum Beispiel seit 1989 die Karieserfahrung von 17 Zähnen auf 8 Zähne gesunken, 12-Jährige seien heute zu 78 Prozent sogar völlig kariesfrei, 1989 seien es nur 14 Prozent gewesen. Diese präventiven Maßnahmen hätten nicht nur die Zahngesundheit der Bevölkerung verbessert, sondern auch die Kosten für aufwendige zahnmedizinische Behandlungen gesenkt.
Ohne die präventionsorientierte Parodontitistherapie als PAR-Strecke zu betiteln, bekundete die BZÄK in einer weiteren Mitteilung in Richtung Schwarz-Rot, es sei an der Zeit, Prävention als eine Investition in die Zukunft zu betrachten. „Nur durch gezielte Präventionsstrategien können wir unser Gesundheitssystem für kommende Generationen sichern“, so Benz. Parodontitis sei eine weitverbreitete komplexe, nicht-übertragbare, chronische, entzündliche Erkrankung des Zahnhalteapparates. Sie stehe in Zusammenhang mit den vier großen Volkskrankheiten Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronische Atemwegserkrankungen sowie Krebs – und darüber hinaus mit vielen weiteren Erkrankungen. Diese Verbindungen unterstrichen die Bedeutung der Mundgesundheit für die allgemeine Gesundheit, resümiert die BZÄK. Die Mehrheit der Erwachsenen sei von Parodontitis betroffen. Rund 14 Millionen Menschen in Deutschland hätten sogar eine schwere Parodontalerkrankung.
Hier geht es wohl implizit auch darum, Warken für die negativen Folgen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes (GKV-FinStG) ihres Vorgängers zu sensibilisieren. Die zum Juli 2021 in den GKV-Leistungskatalog aufgenommene, dreijährige PAR-Strecke sollte ein Aushängeschild der zahnärztlichen Prävention werden. Lag die monatliche Starterzahl seitens der Patientinnen und Patienten 2022 noch bei 120.000, so sei diese Ende 2024 auf nunmehr 73.000 zurückgegangen, wie Auswertungen der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) belegen.
Die KZBV biss bis zuletzt bei Lauterbach mit ihrem Ansinnen auf Granit, der Genosse möge die via GKV-FinStG verfügte De-facto-Deckelung der kassenzahnärztlichen Honorare für Leistungserbringungen im Zuge der PAR-Strecke für die Jahre 2023 und 2024 revidieren.
Die Verbindung zwischen Parodontitis und diversen Volkskrankheiten mache, wie die BZÄK betont, deutlich, dass einzelne Erkrankungen nicht isoliert betrachtet werden könnten. Da Zahnärzte jüngere Patientinnen und Patienten in der Regel häufiger sähen als Allgemeinmediziner, bestehe ein großes Potenzial für die Aufklärung und die Früherkennung lokaler und systemischer Krankheitsrisiken. Ergo müsse eine umfassende Gesundheitsvorsorge auch die Mundgesundheit einschließen, um die Allgemeingesundheit zu fördern und schwerwiegende Erkrankungen zu verhindern bzw. abzuschwächen.
Der künftige gesundheitspolitische Kurs der neuen BMG-Ressortspitze war dann auch eines der zentralen Themen bei der KZBV-Vertreterversammlung Anfang Juni in Köln. KZBV-Chef Martin Hendges zollte der Ministerin zuallererst Anerkennung: „Allem voran ist es als sehr positiv zu werten, dass Frau Warken in ihrer Regierungserklärung den so wichtigen Dialog mit der Selbstverwaltung in den Vordergrund gerückt hat und damit die Möglichkeit endlich wieder besteht, unsere Fachexpertise in anstehende Gesetzgebungsverfahren und mögliche Strukturreformen einbringen zu können.“ Hendges treibt vor allem die Sorge um, Warkens Kurs könnte in Richtung Ausgabenmoratorium über sämtliche Leistungsbereiche oder andere Kostendämpfungsmaßnahmen gehen, die in der Vergangenheit schon Schaden angerichtet hätten – siehe GKV-FinStG und PAR-Strecke. „Aber es ist so schön einfach und bequem, immer wieder bei denen Geld zu suchen, die den Leistungsanspruch der Versicherten bedienen und sicherstellen sollen. Und so finden wir uns derzeit schon wieder in der Debatte um ein sogenanntes Vorschaltgesetz, im Rahmen dessen alle ihren Beitrag leisten sollen. Umso wichtiger ist es, dass wir in dieser Debatte Antworten liefern und einen klaren Kurs vorgeben müssen“, so Hendges.
Hier erinnere man Warken explizit an die Strahlkraft der Prävention. Denn diese sei „das Paradebeispiel, über welchen Weg man das deutsche Gesundheitssystem gesunden kann – und das für alle Beteiligten. Unsere konsequent auf Prävention ausgerichteten Versorgungskonzepte haben nicht nur die Mundgesundheit von Millionen Menschen in Deutschland stetig verbessert, sondern auch zur Entlastung der Ausgabenseite geführt. Kein anderer Leistungsbereich kann diese Erfolge vorweisen, sieht man sich die Ergebnisse der DMS 6 oder die Finanzergebnisse der GKV in unserem Sektor an. Damit ist unser Rezeptvorschlag klar formuliert: Prävention muss zum Leitbild gesundheitspolitischen Handelns gemacht werden. Prävention muss als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden.“
Und Prävention bedeute eben, zunächst in Maßnahmen investieren zu müssen, um Erfolge mittel- und langfristig möglich zu machen. Gesundheitsbewusstsein schaffen, die Vorsorgeorientierung und damit auch die Eigenverantwortung stärken, zielgruppenspezifische Versorgungskonzepte auflegen und sich um die Belange vulnerabler Menschen kümmern, all das seien Errungenschaften der Zahnärzteschaft, die das Fundament ihres Erfolges bildeten.
„Es ist deshalb erfreulich, dass sich die wichtige Rolle der Prävention auch im Koalitionsvertrag wiederfindet. Jetzt ist die Zeit gekommen, nicht nur über Prävention zu reden, sondern den Weg der Prävention im gesamten Gesundheitswesen auch konsequent zu gehen und zur Grundlage von Strukturreformen zu machen. Das gilt in besonderem Maße für die neue Parodontitisbehandlungsstrecke! Sie muss als Früherkennungs- und Präventionsleistung zwingend gesetzlich verankert werden, um nicht nur die große Volkskrankheit Parodontitis adäquat bekämpfen zu können, sondern auch die Krankheitslast im allgemeinmedizinischen Bereich zu senken und damit letztendlich auch die Finanzierung der GKV zu stabilisieren“, so Hendges‘ flammender Appell.
Er verweist darauf, dass im Koalitionsvertrag von der Einrichtung einer Kommission unter Beteiligung von Experten und Sozialpartnern gesprochen werde, im Rahmen derer die gesundheitspolitischen Vorhaben von Schwarz-Rot in der Gesamtwirkung betrachtet werden sollen. Bis Frühjahr 2027 sollen demnach konkrete Maßnahmen vorgeschlagen werden. „Es wird unsere Aufgabe sein, unsere Vorschläge hier aktiv einzubringen und mit Fakten zu unterlegen. Dafür sind wir sehr gut aufgestellt! Extrem wichtig dabei ist aber, dass wir als Berufsstand nicht von unserem Weg abweichen, mit einer Stimme sprechen und die in unserer Agenda Mundgesundheit formulierten Punkte im Fokus behalten. Ich sage das ganz bewusst an dieser Stelle, weil Politik bei der Suche nach Geld im System der GKV auch immer wieder mal bei der Zahnmedizin landet“, fordert Hendges die Geschlossenheit in den eigenen Reihen der Zahnärzteschaft ein.
Zweimal Zähneputzen reicht doch, KFO ist doch reine Ästhetik und ähnliche Thesen tauchten dann in Gesprächen mit politischen Entscheidungsträgern hie und da auf, warnt der KZBV-Chef. „Und so unreflektiert diese Thesen geäußert werden, so banal ist der Gedanke, der dahintersteckt: Wir nutzen den Ausgabenanteil für vertragszahnärztliche Versorgung und stopfen damit Löcher anderer Leistungsbereiche! Dann können die Zahnärzte alles privat abrechnen und die GKV-Versicherten können sich doch privat zusatzversichern. Den krönenden Abschluss fand dann ein Gespräch im letzten Jahr darin, dass vorgetragen wurde: ‚Dann sind Sie doch auch endlich die lästigen KZVen los‘!“
Sinnvolle Strukturreformen müssten, so Hendges weiter, die Stärkung der freiberuflichen und inhabergeführten Praxisstrukturen durch Bürokratieentlastung, versorgungstaugliche Digitalisierung einhergehend mit dem Ende der Sanktionspolitik und Gewährleistung von Planungssicherheit für die Praxen adressieren. Wichtig sei auch die Unterstützung bei der Sicherstellung einer flächendeckenden und wohnortnahen Versorgung, in dem es eine klare Trennung gebe von Aufgaben, die die Politik leisten müsse, und denen, die die KZBV im Rahmen ihres Sicherstellungsauftrages leisten könne.
Nach Politik zu rufen, Forderungen an sie zu formulieren und sachlich begründete Anträge zu verabschieden sei relativ einfach, löse aber zum einen die Probleme nicht und führe zum anderen oft zu Reflexen der Politik. Bestes Beispiel sei das Thema der Sicherstellung. Hendges dazu: „Ich will jetzt nicht allzu sehr auf die Geschehnisse des letzten Jahres eingehen. Aber die öffentlich geführte Debatte über bestehende oder drohende Versorgungsengpässe hat letztendlich dazu geführt, dass sich jetzt im Koalitionsvertrag Absichten wiederfinden, die den Ländern die Möglichkeit einräumen sollen, in die zahnärztliche Bedarfsplanung einzugreifen oder sogar quasi die Sicherstellung zu übernehmen.“
An diesem Punkt werde die KZBV den mit den KZVen konsentierten Aktionsplan „Sicherstellung“ in die politische Debatte einbringen – mit der wichtigen Botschaft, Eingriffe der Politik in den Sicherstellungsauftrag der KZVen lösten das Problem von Versorgungsengpässen nicht. Erst recht seien Instrumente vom Reißbrett wie Zulassungsbeschränkungen kein Lösungsweg. „Wir benötigen vielmehr regionalspezifische Lösungsansätze, wie sie derzeit in einigen neuen Bundesländern auch schon angedacht sind, sei es die Landzahnarztquote, sei es die Förderung durch Stipendien oder der Ausbau der Studienkapazitäten. Die Politik ist wiederum gefordert, infrastrukturell in ländlichen und strukturschwachen Bereich zu unterstützen“, so Hendges.
Bewegung müsse es zudem auch bei der Regulierung der Gründungsmöglichkeiten investorengeführter Medizinischer Versorgungszentren (iMVZ) geben. Die VV fordert die Bundesregierung dazu auf, bis spätestens Ende des Jahres einen Gesetzentwurf vorzulegen. „Wir sind sehr froh, dass die Politik den dringenden Handlungsbedarf in Bezug auf iMVZ endlich erkannt hat. Jetzt ist entscheidend, dass wirksame Instrumente auch gesetzlich verankert werden. Eine räumliche sowie eine fachliche iMVZ-Gründungsbeschränkung für Krankenhäuser ist dabei unverzichtbar, lediglich Transparenz über Eigentümerstrukturen zu schaffen, reicht hier nicht aus“, sagte Hendges.
Ein Paradigmenwechsel sei auch bei der Digitalisierung erforderlich. „Politische Terminvorgaben sowie Sanktionen beim Honorar und Kürzungen der TI-Pauschale schaden der Akzeptanz der Digitalisierung und müssen weg. Stattdessen sollte die Nutzung durch Anreize gezielt gefördert werden. Hierfür muss die Politik die Weichen stellen“, forderte KZBV-Vize Dr. Karl-Georg Pochhammer. Zugleich begrüßte er den Start der elektronischen Patientenakte (ePA) auf freiwilliger Basis: „Dafür hat sich die KZBV gemeinsam mit den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen eingesetzt. Das ist der richtige Weg, um die aktuellen Probleme hell auszuleuchten und dafür zu sorgen, dass die ePA fit gemacht wird. Sie hat das Potenzial, die Versorgung und die Praxisabläufe zu verbessern; aktuell stimmen aber noch nicht alle Voraussetzungen“, betonte Pochhammer.
„Man kann nicht jeden Tag rote Bänder durchschneiden, ist nicht jeden Tag auf internationaler Bühne unterwegs, man hat mit einer komplexen und sehr selbstbewussten Selbstverwaltung zu tun und sehr machtvollen und noch selbstbewussteren Vertretern von Interessen“, warnte Lauterbach seine Nachfolgerin bei der Amtsübergabe in Berlin. Wie es aussieht, lässt sich Nina Warken als selbstbewusste Frau nicht von der mahnenden Botschaft ihres Vorgängers beeindrucken und wird ihren eigenen Weg gehen – im Dialog mit Zahnärzteschaft und anderen Akteuren im deutschen Gesundheitssystem.
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