
Endodontie
Endodontische Verfahren sind vielleicht nicht unbedingt Ihr Schwerpunkt, aber die Chancen stehen gut, dass jede Woche einige Ihrer Patienten eine Wurzelbehandlung benötigen. Einige Zahnärzte betrachten…
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Mittels Wurzelkanalobturation wird der nach Entfernung der Pulpa vorhandene Hohlraum in der Zahnwurzel gefüllt. Die Methoden der Wurzelkanalbehandlung sind sehr alt und haben sich über die Jahre sehr wenig verändert. In der Regel erfolgt die Wurzelkanalobturation mit einem festen Guttaperchastift und einem Sealer. Ursprünglich verwendete man nur einen Stift zusammen mit Wurzelkanal-Sealer, dann wurde die Technik zur lateralen Kondensation und warmen vertikalen Kondensation weiterentwickelt, um die Dreidimensionalität der Wurzelkanalfüllung zu verbessern (1).
Der Stift wirkt wie ein Kolben auf den fließfähigen Sealer, so dass dieser sich ausbreitet, Hohlräume füllt, die bearbeiteten Dentinwände benetzt und an ihnen haftet. Der Sealer ist das Material, das mit Dentin und Parodontalgeweben in Kontakt kommt. Deshalb ist es wichtig, dass er die von Grossman beschriebenen idealen Materialeigenschaften besitzt (2).
Die drei Hauptaufgaben der Wurzelkanalobturation sind Verschluss gegen das Eindringen von Bakterien aus der Mundhöhle, Einkapselung verbliebener Mikroorganismen und vollständige Obturation im mikroskopischen Maßstab, damit sich keine stehende Flüssigkeit mit Nährstoffen für Bakterien aus irgendeiner Quelle ansammelt (3). Hierbei hat sich die Kombination fester Guttaperchastift + Sealer gut bewährt. Für einen hermetischen Verschluss sorgt warme vertikal kondensierte Guttapercha in Kombination mit einer Reihe von Sealern, die in Interaktion mit den Dentinwänden sog. Sealer-Zotten („tags“) bilden. Wurzelkanal-Sealer auf Epoxidharz-Basis gelten als Goldstandard für Sealer-Zemente, weil sie ihren Zweck sehr gut erfüllen und einen hermetischen Verschluss schaffen.
BioRoot™ RCS (Septodont, Saint-Maur-des-Fossés, Frankreich) ist ein hydraulischer Zement, erhältlich in Form eines Pulvers aus Trikalziumsilikat und Zirkoniumoxid und einer Flüssigkeit, hauptsächlich Wasser mit Zusatz von Kalziumchlorid und einem wasserlöslichen Polymer. Diese Zusatzstoffe verbessern die physikalischen Materialeigenschaften. Dieser Formulierung verdankt das hydraulische Material ganz spezielle Merkmale. Dazu gehören:
Nur geringe Anteile von Spurenelementen
Die meisten bekannten Trikalziumsilikat-Materialien basieren auf Portlandzement. Dieser wird im Bauwesen verwendet und aus natürlichen Mineralien hergestellt. Zudem nutzt man zum Brennen dieses Zements meist aus Abfällen gewonnene Sekundärbrennstoffe, um die Kosten niedrig zu halten. Das führt zum Einschluss von Spurenelementen im Zement, die bei der klinischen Anwendung wieder herausgelöst werden (4-6). BioRoot™ RCS besteht als einziges Material ganz aus reinem Trikalziumsilikat-Zement, ohne andere Zementzusätze (Tabelle 1). Dies ist nicht nur zur Vermeidung von Spurenelementen wichtig, sondern auch weil Trikalziumsilikat den aktiven Bestandteil des Materials darstellt. Portlandzement enthält nur 68 % Trikalziumsilikat (7). Daher sind alle Trikalziumsilikat zugeschriebenen Eigenschaften, also die Bildung von Kalziumhydroxid, und damit die Biomineralisation, der Aufbau von Knochen- und Zahnsubstanz sowie die antimikrobiellen Wirkungen, bei Portlandzement schwächer ausgeprägt. BioRoot™ RCS setzt nachweislich im selben Zeitraum unter denselben Bedingungen doppelt so viele Kalzium-Ionen frei wie EndoSequence BC Sealer und zehnmal so viele wie MTA Fillapex (Tabelle 2) (8).
Drei Materialien auf Portlandzement-Basis, nämlich MTA Angelus, MTA Fillapex und TheraCal LC, wurden darauf geprüft, ob sie in einer Extraktionsalveole im In-vivo-Modell den Aluminiumspiegel in Plasma und Leber beeinflussen. Spuren von Aluminium wurden in Plasma und Leber von Versuchstieren nachgewiesen (9). Zudem zeigte sich ein Aluminium-Peak im Hirngewebe von Versuchstieren nach 7 Tagen ab der Implantation bei MTA Angelus sowie nach 60 Tagen bei TheraCal LC und MTA Fillapex. Oxidativer Stress war induziert, und antioxidative Enzyme waren vorübergehend hochreguliert (10). Hohe Aluminium-Mengen in Kontakt mit menschlichen Geweben wurden mit der Alzheimer-Krankheit assoziiert (11). Dagegen enthält BioRoot™ RCS als reiner Trikalziumsilikat-Zement keine Trikalziumaluminat-Phase. So kann aus BioRoot™ RCS im direkten Kontakt mit Patientengeweben kein Aluminium herausgelöst werden. Das Material verursacht daher keine toxische Ablagerung von Spurenelementen.
BioRoot™ RCS enthält Zirkoniumoxid als Röntgenkontrastmittel. Zirkoniumoxid ist beständig (Tabelle 2) und verleiht dem Material die nötige Röntgenopazität (Abb. 1) (8). Da es nicht herausgelöst wird, bleibt die Röntgenopazität in der klinischen Anwendung stabil. BioRoot™ RCS ist auf postoperativen Röntgenbildern gut erkennbar; dies erleichtert die Bewertung der Obturation. Bei BioRoot™ RCS wird kein Bismutoxid als Kontrastmittel verwendet. Bismutoxid verursacht nachweislich Zahnverfärbungen bei Kontakt mit Natriumhypochlorit (12), das in der Endodontie allgemein als Spüllösung zum Einsatz kommt.
Der Erfolg einer Wurzelkanalbehandlung hängt von der Beseitigung von Mikroben und Verhinderung einer bakteriellen Rekolonisierung der Wurzelkanäle ab. BioRoot™ RCS setzt hohe Mengen von Kalzium in Lösung frei (Tabelle 2) und sorgt so für einen hohen pH. Es hat optimale antimikrobielle Eigenschaften, wie die Abtötung von Mikroorganismen in den Dentintubuli zeigt (Abb. 2). BioRoot™ RCS tötet sogar dann Mikroorganismen wirksam ab, wenn Wasser als letzte Spüllösung verwendet wird (12), und seine Wirksamkeit steigt in Kombination mit Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA) als Spüllösung.
Abb. 2: Repräsentative Aufnahmen unter dem konfokalen Laserrastermikroskop von (A) Kontrollgruppe mit EDTA-Spülung, (B) BioRoot™ RCS nach EDTA, (C) MTA Fillapex nach EDTA und (D) AH Plus nach EDTA. Die Striche stehen für 50 mm. Rote Bereiche zeigen tote Mikroben. Nachdruck von Arias Moliz & Camilleri 2016 mit Genehmigung der Veröffentlicher.
BioRoot™ RCS bildet in Interaktion mit dem Dentin der Wurzelkanalwände eine mineralreiche Hybridschicht (Abb. 3). Man nimmt an, dass die Haftung von BioRoot™ RCS chemischer Art ist, im Gegensatz zu den von kunststoffbasierten Sealern gebildeten Zotten (13). Diese feste Haftung fördert die Stabilität des Sealers. Zusammen mit der hohen antimikrobiellen Wirksamkeit verleiht sie dem Material eine Überlegenheit über andere Sealer-Typen. Außerdem ist BioRoot™ RCS für die Parodontalgewebe gut verträglich (14-16), so dass etwas überpresstes Material dem klinischen Erfolg nicht schadet.
BioRoot™ RCS sollte bei kalten Obturationstechniken verwendet werden. Die bei der warmen vertikalen Kondensation erzeugte Wärme lässt Wasser aus dem Sealer verdunsten und verändert so sein Fließverhalten und seine Filmdicke (17). Seit neuestem werden wieder Ein-Stift-Obturationstechniken mit hydraulischen Sealern empfohlen. Die Dentintubuli werden unabhängig von der verwendeten Obturationstechnik gefüllt (18, 19). Wenn ein fester Stift auf die Größe des aufbereiteten Kanals abgestimmt ist, liefert die Ein-Stift-Obturation ähnlich hochwertige Füllungen wie die warme vertikale Kondensation (20). Die Revidierbarkeit ist bei BioRoot™ RCS mit Guttaperchastift in der Ein-Stift-Technik besser als bei AH Plus, mit weniger Sealer-Resten und kürzeren Revisionszeiten (21).
Abb. 3: An der Grenzfläche zum Dentin zeigt BioRoot™ RCS eine mineralreiche Hybridschicht (siehe Pfeil) und Sealer-Zotten, AH Plus dagegen nur Sealer-Zotten. Die Materialien wurden mit Fluorescein angefärbt und unter dem konfokalen Laserrastermikroskop bei Anregungs-/Emissionswellenlänge 494/518 nm untersucht. Nachdruck von Viapiana et al. 2016 mit Genehmigung der Veröffentlicher.
BioRoot™ RCS ist ein hydraulischer Sealer, der eine einfache und effektive Wurzelkanalfüllung ermöglicht. Das Material ist nichttoxisch und mit festen Guttaperchastiften in der Ein-Stift-Obturationstechnik verwendbar. Diese Methode ist anwenderfreundlich und kostengünstig, da kein spezielles Instrumentarium benötigt wird. Für eine erfolgreiche Obturation sorgen die antimikrobielle Wirksamkeit des Materials und der biologische Verschluss, anstelle des bei klassischen Sealern beschriebenen hermetischen Verschlusses. BioRoot™ RCS kann also eher als ein Füllungsmaterial betrachtet werden, das in Kombination mit einem festen Stift zum Einsatz kommt.
Professor Josette Camilleri erhielt ihren Bachelor of Dental Surgery und ihren Master of Philosophy in Dental Surgery an der Universität von Malta. Sie promovierte unter der Leitung des verstorbenen Professors Tom Pitt Ford am Guy’s Hospital, King’s College London. Professor Josette Camilleri war am Department of Civil and Structural Engineering, Faculty for the Built Environment der Universität von Malta und am Department of Restorative Dentistry, Faculty of Dental Surgery der Universität von Malta tätig. Zurzeit arbeitet sie als Senior Academic an der School of Dentistry der Universität von Birmingham im Vereinigten Königreich. Professor Josette Camilleri forscht im Bereich endodontischer Füllungsmaterialien und Wurzelkanal-Sealern, wobei sie sich besonders auf die Mineraltrioxid-Aggregate, die Hydratation von Portlandzement und andere zementhaltigen Materialien, die als Biomaterialien und in der Bauindustrie verwendet werden, konzentriert. Josette hat über 100 Artikel in internationalen Fachzeitschriften mit Peer-Review veröffentlicht, und ihre Arbeit wurde über 4.000-mal zitiert. Sie ist die Herausgeberin von “Mineral trioxide aggregate. From preparation to application”, das 2014 bei Springer erschienen ist. Sie ist mitwirkende Autorin der 7. Auflage von “Harty’s Endodontics in Clinical Practice” (Herausgeber: BS Chong) und “Glass ionomer cements in Dentistry” (Herausgeber: SK Sidhu). Professor Josette Camilleri ist internationale Dozentin, Gutachterin und Mitglied des wissenschaftlichen Gremiums einer Reihe internationaler Zeitschriften, darunter Journal of Endodontics, Scientific Reports, Dental Materials, Clinical Oral Investigation, Journal of Dentistry, Acta Odontologica Scandinavica und Acta Biomaterialia.
Schilder H. Filling root canals in three dimensions. Dent Clin North Am. 1967.
Grossman LI. Endodontic Practice. Philadelphia: Lea & Febiger.1978
Sundqvist G, Figdor D. Endodontic treatment of apical periodontitis. In: Ørstavik D, Pitt Ford TR, eds.
Essential Endodontology. Prevention and Treatment of Apical Periodontitis. Oxford: Blackwell, 1998.
Schembri M, Peplow G, Camilleri J. Analyses of heavy metals in mineral trioxide aggregate and Portland
cement. J Endod. 2010;36(7):1210-5.
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