Rezepte und Festzuschüsse: Neuerungen für die digitale Praxisorganisation

 

Das Praxisverwaltungssystem (PVS) soll immer stärker zum Rückgrat der modernen, digitalisierten vertragszahnärztlichen Versorgung werden. So wird nun das elektronische Rezept sukzessive verpflichtend eingeführt – und zwar als Anwendung der Telematikinfrastruktur. Ebenfalls digital unterstützt werden Vertragszahnärzte mit einem Update der Digitalen Planungshilfe in puncto Festzuschüsse bei Versorgung mit Zahnersatz.

Das elektronische Rezept (E-Rezept) ist inzwischen eine Großbaustelle, auf der seit Jahren – genauso wie an der Optimierung der Telematikinfrastruktur (TI), dessen Pflichtanwendung es sein soll – fleißig gearbeitet wird. Das 2019 verabschiedete Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) sah eigentlich die verpflichtende Einführung des E-Rezeptes bereits für Mitte 2020 vor. Kurz vor dem zuletzt angepeilten obligatorischen Starttermin zum 1. Januar 2022 zog das Bundesgesundheitsministerium mit Blick auf den Reifegrad des Projektes die Reißleine. Nun hat die Gesellschafterversammlung der gematik, die als Betriebsgesellschaft der TI fungiert, Ende Mai einstimmig den weiteren Fahrplan für das E-Rezept beschlossen.


Zahnarztpraxen in zwei KV-Regionen ab September am Start

Demnach sollen Zahnarztpraxen in Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe die elektronische Verordnung als erste in ein flächendeckendes Verfahren führen. Der Rollout in den beiden Regionen soll zum 1. September 2022 starten. Ab diesem Zeitpunkt sollen – das betont die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) mit Nachdruck – möglichst viele Zahnarztpraxen E-Rezepte erstellen, um die Anwendung entsprechend schnell in die flächendeckende Versorgung zu bringen. „Nutzbar ist das E-Rezept aber grundsätzlich auch heute schon, sofern in den Praxen die technischen Voraussetzungen dafür gegeben sind“, verdeutlicht KZBV-Vizechef Dr. Karl-Georg Pochhammer.

Vorbehaltlich des Erreichens noch zu vereinbarender Qualitätskriterien sieht die weitere Planung vor, dass das E-Rezept ab dem 1. Dezember 2022 in Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe verpflichtend und dann in sechs weiteren Bundesländern/KV-Regionen sukzessive eingeführt wird. Im Jahr 2023 soll – voraussichtlich zum 1. Februar – die Anwendung auf die übrigen acht Bundesländer ausgedehnt werden. Apotheken in ganz Deutschland sind bereits ab dem 1. September 2022 verpflichtet, E-Rezepte anzunehmen.
 

Nichts geht ohne eZahnarztausweis oder ZOD-Karte

Wie dem KZBV-Leitfaden zum E-Rezept zu entnehmen ist, müssen Vertragszahnarztpraxen bestimmte technische Voraussetzungen erfüllen, um überhaupt elektronische Verordnungen ausstellen zu können. Dazu zählt das Vorhandensein eines eZahnarztausweises oder einer ZOD-Karte, der Anschluss des PVS an die TI mindestens mit dem eHealth-Konnektor (PTV3) für die qualifizierte elektronische Signatur (QES). Für die Komfortsignatur ist ein Konnektor-Update (PTV4+) ebenso notwendig wie ein PVS-Update und eZahnarztausweis der Generation 2.0 oder höher. Für die sinnvolle Nutzung der Komfortsignatur sei zudem ein weiteres Kartenterminal erforderlich.

„Ausgestellt und signiert wird das E-Rezept im PVS. Damit es sicher abgelegt ist, wird es in einem fachanwendungsspezifischen Dienst in der TI, dem E-Rezept-Fachdienst, verschlüsselt gespeichert. Zugriff hat ausschließlich der Versicherte, für den das E-Rezept verordnet wurde, sowie die ausstellende Praxis, die ausgewählte Apotheke und Vertretungen, mit denen der Versicherte den Rezeptcode teilt“, heißt es im Leitfaden.
Die Einlöseinformation, die zum Zugriff berechtigt, stecke in einem Rezeptcode, der automatisch zu jedem E-Rezept erzeugt werde. Dieser E-Rezept-Token – ein Zugangsschlüssel in Form eines 2D-Codes – könne durch den Versicherten in der E-Rezept-App der gematik oder auf Wunsch des Versicherten in der Zahnarztpraxis als Papierausdruck erstellt werden.

 

Beschränkter Zugriff auf E-Rezept

Mit dem Rezeptcode können die Versicherten das Rezept in der Apotheke einlösen, indem sie diesen dort z. B. mit ihrer App vorzeigen. Die Apotheke scannt den 2D-Code ein und erhält somit Zugang zu diesem E-Rezept im E-Rezept-Fachdienst. Die Möglichkeit des Zugriffs auf den Fachdienst besteht laut KZBV ausschließlich für berechtigte Zahnärzte, Ärzte und Apotheker. Der Berechtigungsnachweis werde mittels elektronischem Praxisausweis (SMC-B) erbracht. Für die Signatur des E-Rezepts seien dann der eZahnarztausweis oder die ZOD-Karte erforderlich.


Zunächst verringerte Bandbreite an Verordnungsoptionen

Für den Verordnungsalltag in Vertragszahnarztpraxen bedeutet der Rückgriff auf das E-Rezept zuerst aber noch eine gewisse Einschränkung. Denn die Bandbreite der via E-Rezept verordenbaren Optionen konzentriert sich zunächst auf apothekenpflichtige Arzneimittel für Kassenpatienten. Es können Fertigarzneimittel aus den Preis- und Produktverzeichnissen, Wirkstoffverordnungen, Rezeptverordnungen und Freitextverordnungen elektronisch rezeptiert werden. Für grüne und blaue Rezepte werde es noch Prozessoptimierungen geben. Apothekenpflichtige Arzneimittel zulasten der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen seien ebenfalls optional. Privat Versicherte werden frühestens ab dem ersten Quartal 2023 am E-Rezept teilnehmen können, schätzt die KZBV.


E-Rezepte können gelöscht werden

Falls in der Praxis ein Medikament irrtümlich verordnet worden ist, kann das Praxisteam das ausgestellte E-Rezept vom Fachdienst löschen, um zu verhindern, dass die Patientin oder der Patient das Medikament einlöst und einnimmt. Voraussetzung hierfür ist laut KZBV jedoch, dass das E-Rezept noch keiner Apotheke zur Dispensierung zugewiesen worden ist.
Das Löschen des E-Rezepts werde über das PVS organisiert. Hierzu werde das Rezept markiert und die zugehörigen Rezeptdaten nach einer Bestätigung unwiederbringlich aus dem E-Rezept-Fachdienst gelöscht, sodass die Patientin oder der Patient es nicht mehr in der Apotheke einlösen kann.


Für die – fernere? – Zukunft gilt: Sobald die Verpflichtung zur E-Rezept-Nutzung greift, dürfen grundsätzlich nur noch E-Rezepte ausgestellt werden. Allerdings verschwinden die Papierrezepte nicht vollständig. Sie dienen als Ersatzverfahren, etwa wenn die Internetverbindung in der Praxis ausfällt oder der Zugang zur TI im Rahmen von Heim- und Hausbesuchen nicht möglich ist. Auch können Praxen, die das E-Rezept unverschuldet nicht nutzen können, z. B. weil der Praxissoftwarehersteller die Funktionalität nicht rechtzeitig bereitgestellt hat, das Muster 16 solange weiterverwenden, bis das Update der Praxissoftware erfolgt ist.


Änderungen bei Befund- und Therapiekürzeln

Für alle Vertragszahnarztpraxen in Deutschland ist ein Update zur Digitalen Planungshilfe zum Festzuschusssystem (DPF) relevant, da zum Juli essenzielle Änderungen greifen. Wie die KZBV mitteilt, haben sich die Bundesmantelvertragspartner auf Änderungen der Befund- und Therapiekürzel zum Zahnersatz geeinigt: Es wurden zwei abschließende Listen zulässiger Kürzel festgelegt, die die auf dem HKP-Vordruck aufgeführten Kürzel ablösen. „Die Änderungen waren erforderlich, um die im elektronischen Verfahren üblichen Plausibilisierungs- und Validierungsprüfungen zu ermöglichen. Die bisher für den Eintrag im Zahnschema zugelassene freie Kombination von Kürzeln hätte derartige Prüfungen verhindert“, erläutert die KZBV in einem Infoschreiben.
Die neuen Kürzel sind im elektronischen Antrags- und Genehmigungsverfahren und ab dem 1. Juli 2022 auch bei herkömmlicher Antragstellung im Papierverfahren (Vordruck 3a) verbindlich anzuwenden.


Im Update 3.1.5 der DPF seien die neuen Kürzel bereits integriert. Nach jedem Start des Programms würden bis zum 30.06.2022 standardmäßig die alten Kürzel angezeigt, erst ab dem 01.07.2022 die neuen. Bis Ende Juni können Vertragszahnärzte testweise schon mit den neuen Kürzeln arbeiten oder sie ausprobieren bzw. zwischen alten und neuen Kürzeln wechseln.

Seit Einführung des Festzuschusssystems im Jahr 2005 ist die DPF für Tausende von vertragszahnärztlichen Praxen als wichtige Hilfestellung im Versorgungsalltag etabliert. Die Software erleichtert Zahnarztpraxen bei einer Versorgung mit Zahnersatz den täglichen Umgang mit dem Festzuschusssystem. Nach Eingabe eines zahnmedizinischen Befundes ermittelt das Programm vollautomatisch anzusetzende Festzuschüsse. Gleichzeitig wird festgestellt, ob es sich bei der geplanten Behandlung um eine Regel-, gleich- oder andersartige Versorgung handelt. Damit schafft die DPF laut KZBV auch bei komplexen Versorgungsfällen Planungssicherheit. Die Anwendung diene darüber hinaus als Beratungshilfe im Patientengespräch, denn Befund und Versorgungsalternativen ließen sich per Knopfdruck in Fotoqualität visualisieren.