So können sich Arztpraxen vor Einbrüchen schützen
In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Einbrüche in Arztpraxen um rund 30 Prozent gestiegen. Die Ärzte Zeitung hat zusammengestellt, was Niedergelassene zur Prävention tun können und welche Versicherungen sinnvoll sind. Es geht um Bargeld, hochwertige medizinische Geräte, Zahngold oder Rezeptblöcke: Niedergelassene Ärzte werden immer häufiger Opfer von Einbrechern.
Erst vor einigen Wochen waren aus einer Praxis in Stuttgart fünf große und schwere Behandlungsgeräte im Wert von mehreren hunderttausend Euro entwendet worden. Die Täter waren über den Hinterhof des Gebäudes ins Treppenhaus gekommen und hatten die Tür zur Praxis aufgehebelt.
Auch Corona hat Langfinger auf Plan gerufen
Einbruchserien in Arztpraxen gibt es aber immer wieder – beispielsweise 2012, als die Praxisgebühr eingeführt wurde oder im Jahr 2017, als Kriminelle besonders Jagd auf hochwertige Endoskope machten. Der Schaden wurde damals auf rund 25 Millionen Euro beziffert.
Auch Corona hat Langfinger auf den Plan gerufen: Weil zu Beginn der Pandemie Hygieneartikel knapp waren, wurden Desinfektionsmittel, Einmalhandschuhe oder Schutzmasken zum begehrten Diebesgut.
Laut Deutscher Ärzteversicherung ist die Zahl der Einbrüche in Arztpraxen in den vergangenen Jahren um gut 30 Prozent angestiegen, konkrete Daten zu den bundesweiten Fällen liegen allerdings nicht vor. Denn das Bundeskriminalamt weist Arzt- und Psychotherapeutenpraxen in seiner jährlichen Polizeistatistik nicht gesondert aus, sondern subsumiert sie unter Büros und Verkaufsräume.
Mitarbeiter-Verhalten ist wichtig
Doch wie können Mediziner ihre Räumlichkeiten effektiv vor Langfingern schützen? „Jede Praxis ist anders, für jede Örtlichkeit sind daher darauf angepasste Schutzvorkehrungen erforderlich“, sagt Kriminaloberrat Harald Schmidt, Geschäftsführer der Polizeilichen Kriminalprävention der Länder und des Bundes.
Er empfiehlt, sich bei den Polizeilichen Beratungsstellen individuell beraten zu lassen. „Diese schauen sich das Objekt vor Ort an, analysieren Schwachstellen und erläutern, wie der Einbruchschutz verbessert werden kann.“
Aus Sicht von Dietrich Viebranz vom Zentrum für Prävention beim Polizeipräsidium Koblenz fußt ein erfolgreiches Präventionskonzept auf drei Säulen: dem Verhalten von Ärzten und Mitarbeitern sowie der mechanischen und elektronischen Sicherung des Gebäudes. Im Gespräch mit der Ärzte Zeitung betont er, wie wichtig das Verhalten des Personals für den Einbruchschutz ist.
Sieben Tipps gegen Einbrüche
- Halten Sie den Bargeldbestand so gering wie möglich. Kann das Geld nicht zügig zur Bank gebracht werden, sollte es in einem geprüften Tresor mit Zahlenschloss aufbewahrt werden. Wertgegenstände können in einem besonders gesicherten Raum untergebracht werden.
- Das Personal sollte bei unbekannten Personen besonders wachsam sein, vor allem wenn diese sich in unzulässigen Räumlichkeiten aufhalten oder auffälliges Interesse an medizinischen Geräten zeigen.
- Bei Personen, die sich nicht an die Hausordnung halten, gilt die Null-Toleranz-Strategie.
- Vorhandene Türen und Fenster können mit einbruchhemmenden Elementen nachgerüstet werden (gemäß DIN 18104).
- Es ist ratsam, eine Liste zu führen, in der alle Wertgegenstände eingetragen sind. Dies erhöht die Chancen, gestohlene Geräte zurückzubekommen.
- Lagerräume sollten nicht gekennzeichnet werden, damit Betriebsfremde diese nicht als solche erkennen können.
- Dietrich Viebranz von der Polizei Koblenz empfiehlt, eine zertifizierte Videoüberwachung anzubringen und den überwachten Bereich ausreichend zu beleuchten. Es gibt auch die Möglichkeit des stillen Alarms, der direkt eine Sicherheitsfirma informiert, wenn Täter sich an Fenstern oder Türen zu schaffen machen. Eine erfahrene Firma könne eine geeignete Einbruchmeldeanlage installieren.
- Das Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz hat für die Corona-Pandemie einen Leitfaden für Kliniken und Praxen zur Einbruchs-Vorbeugung erarbeitet. Der Flyer ist online abrufbar.
Praxen und Kliniken gingen mit manchen Dingen zu lax um, zum Beispiel mit der Frage nach der Schlüsselherrschaft. So gibt es in jeder Praxis Bereiche, die für das Publikum tabu sind. Die Mitarbeiter sollten unbedingt kontrollieren, dass sich Unbefugte dort nicht aufhalten. Der Präventionsbeauftragte betont: „Es muss genau festgelegt sein, wer, zu welchen Räumen Zugang hat.“
Außerdem empfiehlt er Praxisinhabern, abends vor Praxisschluss zu prüfen, ob alle Fenster und Türen geschlossen sind. Gegenüber Patienten und Besuchern ist ebenfalls Wachsamkeit gefragt: So sollten diese nicht längere Zeit alleine im Behandlungsraum sitzen. „Das ist in vielen Praxen leider Usus und bietet gute Gelegenheiten, sich die Taschen vollzumachen.“
Auch wenn die Einbrecher überwiegend nachts und am Wochenende zuschlugen, nutzten sie häufig die Gelegenheit, die Räumlichkeiten vorher auszukundschaften.
Deckung überprüfen
Ist aus einer Praxis dann tatsächlich etwas entwendet worden, ist eine ausreichende Deckung durch die Praxissachversicherung entscheidend. Diese kommt nicht nur für Schäden nach Feuer und Überschwemmung auf, sondern springt auch bei Diebstahl, Vandalismus und Einbruch ein. Ärzte sollten regelmäßig überprüfen, ob der Wert auch tatsächlich der Ausstattung entspricht.
Bernhard Blaha von der Deutschen Ärzteversicherung empfiehlt außerdem eine Betriebsunterbrechungsversicherung, die mögliche Verdienstausfälle und fortlaufende Kosten abdeckt. „Werden elektronische Geräte wie Computer erbeutet, können diese mithilfe einer Elektronikversicherung wiederbeschafft werden.“
Wichtig: Der einfache Diebstahl ist nicht versichert, also wenn Kriminelle beispielsweise während des laufenden Praxisbetriebs Jacken oder Taschen von Patienten mitnehmen. In diesem Fall können sich die meisten Praxisinhaber jedoch auf ihre Berufshaftpflichtpolice berufen.
Diese gilt allerdings ausschließlich für Patienten und Besucher, nicht versichert sind dagegen die Habseligkeiten des Praxispersonals. Kommt den MFA also etwas abhanden, bleiben sie auf dem Schaden sitzen.
Ein Arzt berichtet
Bei einem Allgemeinmediziner aus dem bayerischen Ingolstadt sind bislang unbekannte Täter innerhalb von zwei Jahren bereits zweimal eingestiegen. Beide Male nahmen sie den Praxis-PC und Bargeld mit. Im ersten Fall stahlen sie auch ein neues Ultraschallgerät. Die Praxis befindet sich im Erdgeschoss, die Einbrecher waren durch den Hintereingang im Garagenhof gekommen.
„Für meine Mitarbeiterinnen war das ein Schock“, erzählt er im Gespräch mit der Ärzte Zeitung. Um sein Personal zu schützen, möchte er seinen Namen nicht nennen. Die Diebe hätten in beiden Fällen alles durchwühlt und besonders im Empfangsbereich ein „Riesenchaos“ hinterlassen.
Zwei Tage habe es gedauert, um die Räume wieder in Ordnung zu bringen. Noch Wochen später hätten die MFA beim Betreten der Praxis Schweißausbrüche bekommen – aus Angst wieder einen Tatort vorzufinden.
Inzwischen habe er eine neue Haustür eingebaut und eine Alarmanlage installiert. „Damit wird wohl nichts mehr passieren“, hofft er. Immerhin: Seine Versicherung habe die Schäden unkompliziert beglichen.
So machen es die Suchtmediziner
Und was ist, wenn die Einbrecher auf der Suche nach Drogen sind? 43 Fälle von „schwerem Diebstahl von Betäubungsmitteln aus Arztpraxen“ hat das BKA für 2021 registriert – eine eher geringe Zahl. Dr. Wilhelm Seipe, Vorsitzender des Dachverbands Substituierender Ärzte Deutschlands, kann bestätigen, dass solche Taten bei seinen Kolleginnen und Kollegen eher selten sind.
„Wahrscheinlich liegt das an den erhöhten Sicherheitsvorkehrungen, zu denen wir verpflichtet sind“, vermutet er. Da die Suchtmediziner in ihren Räumlichkeiten Substanzen lagern, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen, müssen sie diese in speziellen Tresoren aufbewahren und Rezeptblöcke wegzuschließen. Für die Ärzte ist das Tagesgeschäft. Denn: „Wir bevorraten immer etwas“, sagt Seipe.
Geben sie sogar Heroin als Originalstoff ab, müssten obendrein Gitter vor den Fenstern angebracht und Türen besonders gesichert sein.
Was tun, wenn eingebrochen wurde?
- „Unbedingt Fotos vom Tatort machen und spätestens 1-2 Tage nach dem Einbruch die Versicherung informieren“, sagt Bernhard Blaha von der Deutschen Ärzteversicherung.
- Außerdem sollte umgehend Anzeige erstattet werden.
- Bis die Polizisten am Tatort eintreffen, am besten nichts anfassen und verändern.
- Um den Schaden zügig regulieren zu können, benötigt die Versicherung eine Stehlliste, auf der alles aufgeführt ist, was von den Einbrechern erbeutet wurde. Diese Liste lasse sich unkompliziert anhand der BWA erstellen, so Blaha.
- In den Versicherungsschutz eingeschlossen werden sollten beispielsweise Medikamente im Kühlschrank, die Arzttasche, Betriebseinrichtung, die auch mobil eingesetzt wird, sowie alle technischen medizinischen Geräte.
Redaktion Ärzte Zeitung