Novelliertes Nachweisgesetz greift: Arbeitsverträge am besten nur noch schriftlich!

 

In Zahnarztpraxen sollten alle Musterarbeitsverträge auf den Prüfstand. Denn seit 1. August greift das mit bis zu 2000 Euro Bußgeld strafbewehrte, verschärfte Nachweisgesetz. Dies gewährt Arbeitnehmern neben der Schriftlichkeit der Verträge umfassende arbeitgeberseitige Informationspflichten zu Vertragsinhalt, Kündigungsrecht etc. Auch Bestandspersonal kann aus der neuen Rechtslage Auskunftsansprüche an den Arbeitgeber ableiten.

Neues Praxispersonal oder ZFA-Azubis in Aussicht? Dann aufgepasst! Denn die Anforderungen an die Vertragsgestaltung und Dokumentation im Zusammenhang mit dem Praxispersonal sind zum Monatsbeginn drastisch gestiegen – mit dem novellierten Nachweisgesetz (NachwG). Wünschen sich niedergelassene Zahnärztinnen und Zahnärzte als Praxischefs und Arbeitgeber nichts mehr als weniger Bürokratie im Versorgungsalltag, um sich auf ihre eigentliche zahnmedizinische Arbeit konzentrieren zu können, so hat die EU wieder den Bürokratieknüppel aus dem Sack geholt – mit der 2019 verabschiedeten Richtlinie (EU) 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union, die die bis dato geltende EU-Nachweisrichtlinie ersetzt. Das vom Bundestag am 23. Juni verabschiedete aufgemotzte NachwG setzt die Richtlinienvorgabe fristgemäß in nationales Recht – im deutschen Falle Zivilrecht – um.

 

Schlendrian kann sanktioniert werden

Die aus Sicht von Arbeitsrechtlern brisanteste Änderung am NachwG stellt die Bußgeld-Androhung bei einem Verstoß gegen die Vorschriften dar –bis zu 2000 Euro können verhängt werden.

Wie die Landeszahnärztekammer Hessen (LZKH) hinweist, können Praxischefs auch künftig noch mündlich Arbeitsverhältnisse schließen. Aber auch in diesem Falle sind sie verpflichtet, dem betreffenden Auszubildenden oder Arbeitnehmer umfassende Informationen unmittelbar nach Beschäftigungsaufnahme über bestimmte Vertragsbedingungen schriftlich mitzuteilen. „Diese Informationen in digitaler Form vorzunehmen, hat der deutsche Gesetzgeber nicht zugelassen“, merkt die LZKH an.

 

Zu den bereits vor dem 1. August 2022 zu dokumentierenden Vertragsbestandteilen sind unter anderem folgende Punkte zukünftig im Vertrag aufzunehmen:

  • bei befristeten Arbeitsverhältnissen das Enddatum, sofern dies bekannt ist,
  • sofern vereinbart, eine Wahlmöglichkeit des Arbeitnehmers bezüglich des Arbeitsortes,
  • sofern vereinbart, die Dauer der Probezeit. Diese muss nun allerdings im Verhältnis zu der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen. Die bis dato gegebene Möglichkeit zur Vereinbarung einer sechsmonatigen Probezeit für befristete Verträge ist entfallen,
  • sofern vereinbart, die getrennte Aufführung der Bestandteile des Arbeitsentgelts – zum Beispiel Zuschläge, Zulagen, Prämien, Sonderzahlungen – und deren Fälligkeit sowie Art der Auszahlung,
  • sofern vereinbart, Ruhepausen und Ruhezeiten,
  • sofern vereinbart, die Möglichkeit zur Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen,
  • sofern zugesagt, Angaben zum Versorgungsträger einer betrieblichen Altersvorsorge,
  • sofern vereinbart, die Modalitäten des Arbeitens auf Abruf. Dazu gehört die Vereinbarung, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nach dem Arbeitsanfall zu erbringen hat, die Zahl der mindestens zu vergütenden Stunden, der durch Referenztage und -stunden festgelegt Zeitrahmen, die Mitteilungsfrist des Arbeitgebers sowie die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen,
  • sofern vereinbart, der Anspruch auf arbeitgeberfinanzierte Fortbildungen,
  • Angabe der auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Kündigungsfristen (auch hinsichtlich Probezeit), der Schriftformerfordernis des Kündigungsschreibens sowie die Angabe der für eine Kündigungsschutzklage erforderlichen Frist.

 

 

Knackpunkt Tarifbindung

Einen Knackpunkt stellt die Tarifbindung dar. Da es keinen bundesweit gültigen Tarifvertrag für Zahnmedizinische Fachangestellte (ZFA) gibt, sondern nur Manteltarifverträge auf Länderebene, besitzen diese keine Allgemeingültigkeit. Obwohl keine Verpflichtung zur Tarifbindung besteht, wird Praxischefs dennoch empfohlen, die Bestimmungen zu beachten, so die LZKH. Bei Arbeitsverträgen mit Tarifbindung kann durch Verweis auf die Tarifverträge die Angabe bestimmter Vertragsbestandteile entfallen.

Da die Dokumentationspflicht durch Aushändigung eines schriftlichen Arbeitsvertrages ersetzt werden kann, sollten Arbeitsverhältnisse ab dem 1. August 2022 nur noch schriftlich vor Beschäftigungsbeginn geschlossen werden, lautet auch von Arbeitsrechtlern die dringende Handlungsempfehlung an Zahnärzte als Arbeitgeber.

Für ein rechtssicheres Vorgehen sind zwei Exemplare jeweils vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu unterfertigen. Danach ist eine unterzeichnete Ausfertigung spätestens am ersten Arbeitstag dem Arbeitnehmer gegen Empfangsbestätigung auszuhändigen. Bereits abgeschlossene schriftliche Verträge mit Beginn zum 1. August 2022 müssen bezüglich der vorgenannten Vertragsbedingungen durch schriftlich Information ergänzt werden. Die Dokumentationspflichten gelten auch für etwaige Vertragsänderungen bzw. Ergänzungen.

 

Musterarbeitsverträge stehen zum Download bereit

Um zahnärztlichen Arbeitgebern im Hinblick auf das NachwG unter die Arme zu greifen, stehen laut LZKH aktualisierte Musterarbeitsverträge online auf dem gemeinsam mit ihren Pendants in Rheinland-Pfalz und Niedersachsen betriebenen ZQMS-Portal zum Download bereit. Nutzen können diesen Service nach Registrierung auch Zahnärztinnen und Zahnärzte anderer Landeszahnarztkammern.

Verträge von Arbeitnehmern, die bereits vor dem 1. August 2022 eingestellt wurden, bleiben von den Vorgaben unberührt. Arbeitnehmer haben allerdings das Recht, eine schriftliche Information gemäß der aktuellen Gesetzeslage nachzufordern. Der Arbeitgeber muss dann innerhalb von sieben Tagen reagieren und die erbetene Dokumentation über die Arbeitsbedingungen eigenhändig unterschrieben aushändigen.

 

Neuerungen auch bei ZFA-Azubis

Berufsausbildungsverhältnisse sind zwingend vor Beginn der Ausbildung schriftlich abzuschließen. Die aktuelle Gesetzesänderung sieht vor, dass folgende Pflichtangaben zusätzlich in den Verträgen aufzunehmen sind:

  • Name und Anschrift der Ausbildenden sowie der Auszubildenden, bei Minderjährigen zusätzlich Name und Anschrift ihrer gesetzlichen Vertreter oder Vertreterinnen,
  • die Ausbildungsstätte und Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte,
  • Zahlung und Höhe der Vergütung sowie deren Zusammensetzung, sofern sich die Vergütung aus verschiedenen Bestandteilen zusammensetzt,
  • Vergütung oder Ausgleich von Überstunden.

 

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