Umgang mit Patientenerwartungen: die Bedrohungsperspektive

Ist diese neue Sichtweise der Gesundheitsversorgung der Schlüssel zum Umgang mit unrealistischen Erwartungen Ihrer Patienten?

Pediatric Dentistry

Zusammenfassung: A patient with unmet expectations leaves your office unsatisfied and tells everyone who’ll listen. They don’t come back, or worse, they come back time and time again in pursuit of the unattainable. And in the worst cases, they take their dissatisfaction to a higher power. When you’ve done everything you can to provide stellar service, this is a tough pill to swallow. Here, we discuss what a recent perspective in healthcare can teach us about managing the perennial problem of unrealistic expectations.

Eine neue Perspektive auf ein uraltes Problem

Als Zahnarzt kennen Sie sicher Patienten mit unrealistischen Erwartungen. Laut einer aktuellen Umfrage von Septodont ist es für Zahnärzte immer noch mit am schwierigsten, mit dieser Patientengruppe umzugehen. Nicht wenige zählen die Behandlung solcher Patienten zu den unangenehmsten Aspekten ihrer Arbeit.
Sie beherzigen alle gängigen Weisheiten für den Umgang mit Erwartungen: Sie kommunizieren verständlich, Sie zeigen Empathie, Sie versuchen, ein gutes Verhältnis aufzubauen. Und doch bestehen manche Patienten auf unerreichbaren Zielen und sind am Ende unzufrieden. Warum? Vielleicht liegt es an etwas, das geschieht, bevor der Patient überhaupt in Ihrem Behandlungsstuhl Platz nimmt…

Der Weg des unrealistischen Patienten

Abgesehen von Routineuntersuchungen wird ein Patient normalerweise aus einem von zwei Gründen einen Termin bei Ihnen vereinbaren:

  • Er leidet unter Schmerzen, Beschwerden oder Unannehmlichkeiten.
  • Es stört ihn etwas an seinem Lächeln.

In beiden Fällen steht der Patient bereits unter einem gewissen Leidensdruck, wenn er sich an Ihre Praxis wendet. Von diesem Punkt bis zum Platznehmen in Ihrem Behandlungsstuhl können ganz ohne Ihr Zutun viele entscheidende Dinge geschehen.

Bevor Sie Ihren Patienten sehen, hatte er schon mehrfach Kontakt mit Ihrer Praxis. Er hat sich Ihre Kontaktdaten herausgesucht, einen Termin vereinbart, sich bei Ihrem Empfang angemeldet, in Ihrem Wartezimmer gewartet und hat vielleicht mit Ihren Mitarbeitern gesprochen.

Klingt nicht besonders spektakulär, oder? Ein Editorial im British Journal of Medical Practitioners (BJMP) aus dem Jahr 2019 zeigt aber eine ganz andere Perspektive auf diese Abläufe.

Die Bedrohungsperspektive

Die Autoren Crisafulli et al. beschreiben, wie diese scheinbar harmlosen Kontaktpunkte für Patienten in Wirklichkeit eine Reihe psychischer Bedrohungen darstellen. In sogenannten „Lock-in-Situationen“ sehen sich Patienten zu Gehorsam genötigt, um die gewünschte Versorgung zu erhalten, und empfinden dies als eine Einschränkung ihrer Kontrolle oder Autonomie.

Im zahnmedizinischen Bereich sind mögliche „Lock-in-Situationen“ unter anderem:

  • Der Zeitaufwand für die Kontaktaufnahme mit der Praxis.
  • Eine lange Wartezeit auf einen Termin.
  • Zu wenig Rücksicht auf andere Verpflichtungen bei der Terminvergabe.
  • Die Auseinandersetzung mit einem umständlichen Anmeldesystem.
  • Unhöfliche oder respektlose Mitarbeiter.
  • Die Wartezeit über den vereinbarten Termin hinaus.
  • Die Notwendigkeit, persönliche Schutzausrüstung zu tragen und Regeln zur Infektionskontrolle zu befolgen.

Diese für sich genommen unbedeutend erscheinenden Situationen können in der Summe dazu führen, dass der Patient einen erheblichen persönlichen Kontrollverlust erlebt. Außerdem sind die Patienten bei jeder Zahnbehandlung besonders empfindlich, besonders wenn Schmerzen oder ein negatives Selbstbild sie zu Ihnen führt, und so erklärt sich, warum bei manchen Patienten die Unzufriedenheit bereits vorprogrammiert ist, noch ehe sie im Behandlungsstuhl sitzen.

Ab diesem Moment erkennen Crisafulli et al. noch weitere potentielle Bedrohungen aus der Sicht des Patienten:

  • Der Patient hat das Gefühl, dass der Dienstleister nicht in seinem Interesse handelt.
  • Der Dienstleister beantwortet die Fragen des Patienten nicht ausreichend.
  • Der Patient fühlt sich nicht ernst genommen, wird missachtet oder abfällig beurteilt.

Das soll nicht heißen, dass all dies Ihre Schuld ist! Dem Patienten fehlt jedoch die klinische Erfahrung, weshalb er sich Gedanken zu Ihrer Motivation und Ihren Gründen machen könnte. Und je „bedrohter“ er sich fühlt, desto negativer sind diese Gedanken.

Was geschieht, wenn Sie schlechte Nachrichten für den Patienten haben und seine Erwartungen mit der Realität in Einklang bringen müssen?

Nach Crisafulli et al. werden durch psychische Bedrohungen Bewältigungsmechanismen in Gang gesetzt, wie etwa Maßnahmen gegen den Gesundheitsdienstleister, mit denen der Patient versucht, die Kontrolle wiederzuerlangen. Im zahnmedizinischen Bereich wird der Patient zum Beispiel an Ihrem klinischen Urteilsvermögen zweifeln, keine Kompromisse eingehen und sich gegen Ihre Empfehlungen „auflehnen“. Mit anderen Worten, er wird sich weigern, die eigenen Erwartungen an die Wirklichkeit anzupassen.

Bedrohungen in der Praxis minimieren

Natürlich wird geraten, verständlich zu kommunizieren und ein gutes Verhältnis aufzubauen – in der Bedrohungsperspektive finden sich jedoch noch weitere nützliche Ansätze, um Ihre Patienten besser managen zu können.

1. Erkennen Sie „Bedrohungen“ vorausschauend und gehen Sie sie an

Einige der von Crisafulli et al. beschriebenen „Bedrohungen“, wie z. Bsp. Wartezeiten, sind in gewissem Umfang unvermeidlich. Auf andere haben Sie als Zahnarzt durchaus Einfluss – zum Beispiel auf die Ausbildung Ihrer Mitarbeiter. Kümmern Sie sich um „Bedrohungen“ auf die Sie Einfluss haben, und seien Sie offen und ehrlich in Bezug auf die erste „Bedrohung“ und zwar bevor Ihr Patient die „Bedrohungen“ zu spüren bekommt.

2. Fragen Sie gezielt nach der Meinung des Patienten

Manche Patienten trauen sich nicht, Ihre Empfehlungen anzuzweifeln oder abzulehnen. Damit Ihr Patient Ihnen nicht äußerlich zustimmt, während er innerlich schäumt, fragen Sie ihn nach seiner Meinung, beispielsweise wie folgt:

„Haben Sie sich diese Lösung in etwa vorgestellt? Oder sollen wir noch andere Möglichkeiten besprechen?“

„Ich weiß, Sie haben sich [ein spezielles Ergebnis] erhofft. Was halten sie von [einem alternativen Ergebnis]?“

„Haben Sie Vorbehalte oder Bedenken bei dieser Lösung?“

Bitten Sie den Patienten, Ihnen Fragen zu stellen, damit Sie ihn beruhigen und Missverständnisse ausräumen können.

3. Gönnen Sie dem Patienten eine Atempause

Ein überforderter Patient wird sich nicht unbedingt auf ein Gespräch über die Anpassung von Erwartungen einlassen. Sie riskieren, dass er noch ablehnender reagiert, um Kontrolle zurückzugewinnen, oder sich genötigt sieht, einem Behandlungsplan zuzustimmen, über den er sich später ärgert. Lassen Sie den Patienten wissen, dass er das Gespräch erst einmal verarbeiten und zu einem späteren Zeitpunkt wiederkommen kann, um das weitere Vorgehen zu besprechen.

4. Wenden Sie die „Repeat-back-Technik“ an

Wenn sich ein Patient auf ein bestimmtes Ergebnis versteift hat, wird er versuchen, Risiken und Einschränkungen „auszublenden“. Sie sind für ihn eine Bedrohung, durch die er sich im Ernstfall überrumpelt fühlt und in Ihnen den Schuldigen sieht.

Um dies zu vermeiden, lassen Sie Ihre Patienten die zentralen Punkte wiederholen („repeat back“). So können Sie sicherzugehen, dass Sie alles verstanden haben, und mögliche Missverständnisse ansprechen. Beispiel:

„Wenn ich von [möglichem Risiko/möglicher Einschränkung] spreche, können Sie mir mit Ihren Worten sagen, was das bedeutet?“

Fragen Sie dann:

„Für wie wahrscheinlich halten Sie das?“

5. Seien Sie offen für Feedback

Trotz größter Bemühungen wird es weiterhin Patienten geben, die glauben, dass ihre Erwartungen, klinisch oder anderweitig, nicht erfüllt wurden. Um die Anzahl an Bedrohungen zu minimieren, sollten Ihre Patienten in der Lage sein, die Situation zuerst mit Ihnen zu besprechen, anstatt sich in sozialen Medien oder bei Aufsichtsbehörden über Sie zu beschweren.

Fragen Sie an verschiedenen Kontaktpunkten, wie auf Ihrer Website, in sozialen Medien und sogar mit einem guten, alten Kummerkasten im Wartezimmer, gezielt nach Feedback. Fragen Sie jeden Patienten, der Ihre Praxis betritt, ob bisher alles reibungslos abgelaufen ist. Machen Sie dem Patienten immer klar, dass Sie sein Feedback ernst nehmen, akzeptieren Sie dieses auf eine nicht-konfrontative Art und fragen Sie, wie er eine problematische Situation gelöst sehen möchte.

Bedrohungen angegangen = Erwartungen angepasst?

Auch wenn Sie diese Vielzahl potenzieller Mikrobedrohungen erfolgreich managen, werden sich die Erwartungen des Patienten an das Ergebnis der Behandlung nicht ändern. Vielleicht wird der Patient aber empfänglicher für Ihre Versuche, seine Erwartungen an die Realität anzupassen.

Sobald Sie eine unrealistische Erwartung korrigieren müssen, werden Sie bei einem Patienten, der sich sicher, selbstbestimmt und informiert fühlt, sehr wahrscheinlich mehr Erfolg haben.

Der Lebenserfahrung nach ist eine bessere Kommunikation am Behandlungsstuhl eine Lösung, aber bedenken Sie, dass dabei die vielen sich anhäufenden Dissonanzen auf dem Weg des Patienten bis zum Behandlungsstuhl übersehen werden könnten. Ein einziges Ereignis dieser Art führt bereits zu einem schlechten Erlebnis. Es lohnt sich also, zu überlegen, wie Sie diese Bedrohungen in Ihrer Praxis minimieren können.

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