Doppelbesteuerung der Rente: Erstmal warten, was die Regierung macht!

Der Bundesfinanzhof hat eindeutig geurteilt: Doppelbesteuerung der Rente gilt nicht! Treffen kann das allerdings auch Selbstständige, die in berufsständische Versorgungswerke einzahlen.

In den vergangenen Tagen wurde in Steuerberaterkreisen viel über die Urteile des Bundesfinanzhofes berichtet, in denen es um die doppelte Besteuerung der Renten geht und dass jetzt, infolge des BFH-Urteils gehandelt werden müsse. Ist diese Aufregung berechtigt? Und sind auch freiberuflich aufgestellte Ärzte gefordert, nachzurechnen, wie es um die Altersversorgung steht? Was das betrifft, ist die Antwort einfach: Ärzte, die noch nicht in Rente sind, brauchen zunächst einmal nichts zu tun. Eine benachteiligende Doppelbesteuerung ergibt sich erst, wenn man das Berufsleben beendet und Rentenzahlungen erhält, die dann besteuert werden.

Das heißt nun aber nicht, als noch Berufstätiger das Thema komplett zu ignorieren. Denn auf Basis der am 31. Mai 2021 veröffentlichten BFH-Urteile ergibt sich, dass vor allem für die folgenden Gruppen in erhöhtem Maße die Gefahr besteht, dass ihre Renten im Rahmen des aktuellen Rentenbesteuerungssystems zweimal besteuert werden:

  • Selbstständige, die in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind.
  • Selbstständige, die freiwillig in die gesetzliche Pflichtversicherung eingetreten sind.
  • Selbstständige, die Beiträge an berufsständische Versorgungswerke leisten.
  • Künftige Rentnerjahrgänge, ab 40 Jahren und älter, weil bei diesen Jahrgängen die Einzahlungen in die Rente in der Vergangenheit nur teilweise steuerlich abgezogen werden konnten, die Rente künftig jedoch voll besteuert werden wird.

Insofern sollten auch Erwerbstätige im Auge behalten, ob der Gesetzgeber zeitnah reagiert und diese Benachteiligung beseitigt. Falls Sie aber bereits in Rente sind, kann es gut sein, dass Sie bereits zu viel Steuern auf Ihre Rente zahlen. Nach dem BFH-Urteil besteht das Risiko einer doppelten Besteuerung vor allem bei Zahlungen aus der gesetzlichen Rente oder Versorgungswerken. Bei der Besteuerung der sogenannten „Rürup-Rente“ sowie Renten aus privaten Kapitalanlageprodukten sah der Bundesfinanzhof hingegen keine drohende Doppelbesteuerung.

Doppelt kann teuer werden

Sollten Sie um das Jahr 2005 in den Ruhestand getreten sein, ist es wahrscheinlich, dass es keine oder nur geringe negative Auswirkungen für Sie gibt. In den Finanzhof-Urteilen ging es um Rentenbescheide eines Steuerberaters aus 2008 und eines Zahnarztes aus 2009. In beiden Fällen sah der BFH noch keine Doppelbesteuerung vorliegen, sodass die Kläger ihre Klagen verloren. Sollten Sie jedoch erst kürzlich in den Ruhestand getreten seien, werden Sie bereits eine deutliche steuerliche Benachteiligung erleiden. Nach ersten Berechnungen kann es zu einem Doppelbesteuerungsanteil der Rente von über 20 Prozent kommen. Selbst bei kleinen Renten kann dies einen davon Betroffenen über 1500 Euro pro Jahr kosten.

Leider ist die Ermittlung der Doppelbesteuerung nicht so ganz einfach, da man die gesamte Renteneinzahlungsphase nachweisen sowie die steuerlichen Auswirkungen beim Rentenbezug prognostizieren muss. Hierfür wird man in der Regel professionelle Unterstützung benötigen.

Rentner in der Zwickmühle

Da solch eine Detailprüfung der individuellen Auswirkungen umfangreich und teuer ist, hatten wir bislang unseren Mandanten empfohlen, in einem ersten Schritt nur pauschal zu prüfen, ob und in welcher Höhe eine Doppelbesteuerung voraussichtlich vorliegt und, dass auf dieser Basis Einspruch gegen die Einkommensteuerbescheide eingelegt werden sollte.

Allerdings zeigt die Erfahrung, dass die Finanzämter sich hier querstellen und eine Pauschalberechnung nicht akzeptieren. Eigentlich wäre es die Pflicht der Finanzbehörden, bei einem Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Besteuerung von sich aus noch einmal vollumfänglich zu ermitteln. Dies wird in der Praxis jedoch nicht gemacht. Stattdessen wird dem Steuerpflichtigen abverlangt, die Doppelbesteuerung im Detail nachzuweisen. Sollten diese Berechnungen nicht zeitnah vorgelegt werden können, dann dürften die Einsprüche aller Wahrscheinlichkeit nach als unbegründet zurückgewiesen werden. Betroffene wären dann gezwungen, vor den Finanzgerichten zu klagen.

Leider gibt es Finanzgerichte, die diese Linie der Finanzverwaltung unterstützen. So hat etwa das Finanzgericht Saarland Ende April 2021 eine pauschale Berechnung anhand mathematischer Formeln zunächst einmal abgelehnt. Nach Ansicht der Finanzrichter muss jeder Steuerpflichtige konkrete Zahlen vortragen, aus denen seine Doppelbesteuerung eindeutig abzulesen ist. Aber selbst, wenn man dem Finanzamt im Einspruchsverfahren alle relevanten Daten zur Verfügung stellt und um Entscheidung auf dieser Basis bittet, ist dies regelmäßig ebenfalls nicht besonders sinnvoll. Im Zweifel wählt das Finanzamt nämlich eine für den Steuerpflichtigen andere, eher ungünstige Berechnungsmethode. Es bleibt somit dabei, dass ein Einspruch nur dann sinnvoll ist, wenn eine Detailberechnung erstellt wird, da andernfalls eine Doppelbesteuerung vom Finanzamt (und den Finanzgerichten) nicht anerkannt wird. Daran wird sich voraussichtlich auch nach den jüngsten BFH-Entscheidungen nichts ändern.

Augen auf – nach der Wahl

Fazit, Rentner befinden sich in der Zwickmühle: Spätestens jetzt ist höchstrichterlich eingeräumt, dass man einer Doppelbesteuerung unterliegen wird, die in vielen Fällen signifikante Ausmaße annehmen kann. Auf der anderen Seite lässt sich dagegen nur erfolgreich vorgehen, wenn viel Geld in die Berechnung der individuellen Mehrsteuern (z.B. durch einen Steuerberater) investiert wird. Kosten, mit denen der zu erwartende Ertrag einem gleichsam wieder zwischen den Fingern zerrinnt.

Von daher ist es jetzt umso wichtiger, dass der Gesetzgeber die Vorgaben des Bundesfinanzhofs zur ordnungsgemäßen Besteuerung der Renten schnell umsetzt, damit alle Steuerpflichtigen Rechtssicherheit bekommen: Zugunsten kommender Rentnergenerationen hat Berlin dafür zu sorgen, dass die verfassungswidrige Doppelbesteuerung beseitigt wird.

Mit Blick auf die Situation der heutigen Rentner müssen Gesetzgeber und Finanzverwaltung sich darum kümmern, dass der Nachweis einer doppelten Besteuerung nicht vom Steuerpflichtigen zu führen ist, sondern dass hier Instrumentarien eingeführt werden, mit deren Hilfe die Doppelbesteuerung vermieden wird. Das Bundesfinanzministerium hat bereits angekündigt, in diesem Sinne tätig werden zu wollen – jedoch erst nach der Bundestagswahl im Herbst. Hoffen wir auf das Beste!

Der Autor dieses Beitrags, Dietrich Loll, ist Rechtsanwalt, Steuerberater und Geschäftsführer der ETL SteuerRecht GmbH in Berlin. Quelle: Redaktion Ärzte Zeitung