MD-Bund: „Never Events“ endlich verpflichtend melden!

Über 13.000 Vorwürfe auf Behandlungsfehler untersuchte der Medizinische Dienst Bund 2021. Ein Bruchteil waren leicht vermeidbare „Never Events“. Diese zu monitoren, ist trotzdem wichtig, sagt die Organisation.

Eine bundesweite Meldepflicht bei schwerwiegenden, vermeidbaren Behandlungsfehlern, hat Dr. Stefan Gronemeyer, Vorstandsvorsitzender des Medizinischen Dienst Bundes, am Donnerstag gefordert. Die Meldung müsse anonym und ohne haftungsrechtliche Konsequenzen möglich sein. Der MD-Bund begrüße daher, dass der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Stefan Schwartze (SPD), sich dafür einsetze, ein solches Register zur Erfassung von vermeidbaren sogenannten „Never Events“ aufzubauen.

Die Vorstellung der Jahresstatistik 2021 zeigt: Von insgesamt 13.050 vorgeworfenen Behandlungsfällen waren 130 „Never Events“ – wie etwa Seitenverwechslungen, Medikationsfehler oder das Zurückbleiben von Op-Material im Körper. Damit seien diese Fehler zwar selten, tauchten aber „Jahr für Jahr in der Statistik auf“, berichtete Gronemeyer.

 

Von Flüchtigkeitsfehlern auf Versorgungslücken schließen

Auch betonte er, dass „Never Events“ nicht das Versagen Einzelner seien. Ihre Evaluation sei daher wichtig, um Risiken in der Versorgung zu erkennen und Sicherheitsmaßnahmen zu etablieren.

Mit Blick auf alle etwa 13.000 erstellten Gutachten wurde bei einem Viertel der Fälle ein Fehler bestätigt und ein Schaden festgestellt (3222 Fälle) – bei jedem fünften Fall auch eine Kausalität zwischen Fehler und Schaden (2709 Fälle). Die Fallzahlen suggerierten zwar, dass es sich hier um ein „Randproblem“ handle, so Gronemeyer. Epidemiologische Studien zeigten jedoch, dass ein Prozent der Krankenhausfälle von Behandlungsfehlern betroffen sei.

Etwa ein Drittel (4339 Fälle) der gemeldeten Vorwürfe kommen aus dem ambulanten Bereich, sagte Professorin Astrid Zobel, Leitende Ärztin des MD-Dienstes Bayern. Das liege daran, dass Patienten häufiger Fehler nach stationären Eingriffen als nach dem Praxisbesuch vermuteten. Der Anteil der schädlichen Fehler gemessen an den Vorwürfen ist im ambulanten und stationären Sektor etwa gleich groß.

 

Orthopädie und Unfallchirurgie liegen vorne

Die meisten Vorwürfe betrafen die Orthopädie und Unfallchirurgie (3909 Fälle). Auf die Innere Medizin und Allgemeinmedizin entfielen 12,3 Prozent (1608 Fälle). Auf die Zahnmedizin bezogen sich 8% (1.081) der gemeldeten Fälle. Das heiße nicht, dass in diesen Fachgebieten mehr Fehlen gemacht würden, betonte Zobel.

Die Jahresstatistik biete keine repräsentativen Zahlen und sei lediglich ein „Schlaglicht“ auf die Behandlungssituation. Die meisten Fehler passierten, weil Maßnahmen fehlerhaft (1484 Fälle) oder nicht durchgeführt wurden (1462 Fälle). Selten wurden Maßnahmen zu spät durchgeführt oder waren nicht indikationsgerecht.

Bei etwa 65 Prozent der Patienten führten die Fehler zu vorübergehenden Schäden (2100 Fälle). Dauerschäden erlitten 30 Prozent (966 Fälle). Das konnten leichte Beeinträchtigungen, wie Narben oder geringe Bewegungseinschränkungen, aber auch schwere Schäden wie Lähmungen oder Erblindungen sein. 3,8 Prozent der Patienten starben aufgrund der Fehler (124 Fälle). Insgesamt bewegen sich die Zahlen auf dem Niveau der Jahre zuvor.

 

Fehlermeldesysteme werden noch zu wenig genutzt

Auch das Aktionsbündnis Patientensicherheit kritisierte am Donnerstag, unerwünschte Ereignisse in Kliniken würden bislang nur unzureichend erfasst. Fehlermeldesysteme wie das CIRS (Critical Incident Reporting System) würden trotz Richtlinie in den Krankenhäusern zu wenig genutzt oder Ergebnisse daraus nicht hinreichend ausgewertet. Deshalb könnten Systemmängel und Prozessmängel nicht ausreichend analysiert werden.

Eine Studie der OECD habe gezeigt, so die Patientenschützer weiter, dass 15 Prozent aller Krankenhausausgaben – rund 48 Milliarden Euro pro Jahr – unmittelbar auf „unerwünschte Ereignisse“ zurückgingen. „Wir sind Menschen und wir machen Fehler“, sagte Dr. Ruth Hecker, Vorsitzende des Aktionsbündnis Patientensicherheit. „Wir könnten aber alle mehr für eine sichere Versorgung tun, wenn wir die Dinge transparent machten.“ 

 

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