Hausarzt zur Praxis-IT: „Terminvergabe? Das kann der Computer besser“

Digitalisierung kann mehr sein als Ärger mit der Telematikinfrastruktur. Sie kann zum Beispiel im Praxisalltag (Arbeits-)Zeit sparen. Wie viel das im Alltag ausmachen kann, davon weiß Allgemeinmediziner Stefan Spieren zu berichten.

Zahnarzt-Patienten-Beziehung

Cloud und PC statt Personal? Der Personalmangel in Praxen und Kliniken wird immer häufiger als Antriebskraft für die Digitalisierung im Gesundheitswesen ins Feld geführt. Das Problem wird tatsächlich immer drängender: Praxen reduzieren wegen Personalmangels Öffnungszeiten, Krankenhäuser schließen ganze Abteilungen, weil Pflegepersonaluntergrenzen nicht abgedeckt werden können. Der Wettbewerb um Medizinische Fachangestellte (MFA) und Pflegekräfte sowie mittlerweile sogar um Servicekräfte aus anderen Branchen nimmt zu.

Doch stimmt es überhaupt, dass Digitalisierung hilft, mit weniger Personal auszukommen? Die Antwort lautet wie immer: Es kommt darauf an. Im Krankenhaus zum Beispiel, wo der Personaleinsatz zumindest teilweise komplett durchreguliert ist, werden schlankere Prozesse – so sie denn durch Digitalisierung erreichbar sind – nur dann zu einem geringeren Personalbedarf führen, wenn auch die Personaluntergrenzen geändert werden. Immerhin könnten bessere Abläufe helfen, den Arbeitsalltag weniger stressig zu gestalten.

In Praxen allerdings ist der Personaleinsatz nicht durchreguliert, sondern er liegt allein in der Hand der Praxisleitung. Machen wir also einmal den Realitäts-Check, was heute schon bei konsequenter Nutzung von digitaler Technik möglich ist. Wir besuchen die „Arztpraxis Spieren & Kollegen“ in Wenden in der südlichen Ecke von Westfalen, zwischen Olpe und Siegen. Also eine typische Landarztpraxis.

Sieben Ärztinnen und Ärzte auf fünf MFA

Typisch? Nicht wirklich, allein schon wegen der Größe: Sieben Ärztinnen und Ärzte arbeiten in der 1977 gegründeten Allgemeinarztpraxis, berichtet Stefan Spieren, der die Praxis 2015 von seinem Vater übernommen hat und nun mit seiner Frau Julia Spieren führt. Und auch das ist nicht typisch für eine Landarztpraxis: sieben Ärzte, aber nur fünf Medizinische Fachangestellte (MFA).

Und dieser Eindruck setzt sich fort, wenn man die Praxis im Internet sucht und findet: „Willkommen“, heißt es zur Begrüßung auf der Website, und weiter: „Wir sind gerne für Sie da. Durch die Nutzung unserer Online-Services können Sie die Wartezeit in der Praxis reduzieren, so haben wir mehr Zeit für das Wesentliche, für Sie!“

Also keine lange Warteschleife am Telefon für Patienten, die einen Termin benötigen, sondern Online-Terminbuchung – die Telefonnummer der Praxis muss man ein wenig suchen auf der Website, weit mit der Maus nach unten scrollen.

Patienten buchen nach Teminart

Stattdessen wird direkt auf der Willkommen-Seite nach dem Anlass des gewünschten Kontakts differenziert: „Akute Beschwerden?“, „Vorsorgecheck?“, „Infektzeichen, Grippe, Erkältung?“, „Wir impfen Sie!“ oder „Neupatient“: Je nachdem, wo der potenzielle Praxisbesucher oder die Besucherin draufklickt, kann er oder sie anschließend einen Termin für die Akutsprechstunde, für eine Vorsorgeuntersuchung, eine Impfung oder die Infektsprechstunde buchen.

„Terminvergabe? Das kann der Computer besser“, ist Stefan Spieren überzeugt. Selbst der Telefonanschluss in seiner Praxis ist mit einer Schnittstelle zum Online-Terminkalender ausgestattet, berichtet er im Gespräch mit der Ärzte Zeitung. Die online vergebenen Termine sind zugleich Dreh- und Angelpunkt der gesamten, konsequent durchdigitalisierten Praxisorganisation.

Konsequent durchdachte Prozesse

Denn hinter den verschiedenen Terminarten, die seine Patientinnen und Patienten direkt von seiner Website aus buchen können, liegen jeweils eine konsequent durchdachte Prozess- und Ressourcenplanung für die Praxis.

Auch die Anzahl der Ärzte und MFA, die an einem halben Tag in der Praxis Dienst tun, sowie die Raumbelegung je Termin berücksichtigt das System: Sind alle Ressourcen ausgelastet, können keine Termine mehr gebucht werden.

Mit der Terminart ist die zugehörige Leistung verknüpft – und damit auch das Arbeitsaufkommen und die Termindauer; hinterlegt ist auch, welche Unterlagen ein Patient benötigt, bevor er oder sie in die Praxis kommt – und auch der Bedarf für einen Folgetermin ist in der Praxis bei der Buchung des ersten Termins bereits antizipiert.

Zeitersparnis

  • 100 Stunden weniger am Telefon monatlich ergeben sich für eine größere Hausarztpraxis bei 2.500 bis 3.000 Terminbuchungen online pro Monat. Die Ersparnis ergibt sich bei zwei Minuten je Terminbuchung am Telefon: 5-6.000 Minuten, also bis zu 100 Stunden.
  • 10 Prozent der Termine werden im Schnitt abgesagt. Durch die Vorab-Erinnerung per SMS kommt es nur noch selten vor, dass Patienten ohne Absage nicht erscheinen.
  • 10 Stunden Ersparnis im Monat ergeben sich aus 300 Absagen, bei denen sich die Patienten online ausbuchen und nicht anrufen. Anderenfalls wäre diese Zeit für MFA am Telefon verloren – zwei Minuten je Absage, also 600 Minuten.

Durch diese Organisation gelinge es, die typische vormittägliche Belastung einer großen Hausarztpraxis mit vier Ärzten und zwei MFA zu bewältigen, berichtet Spieren.

Bedarf, die Abläufe in der Praxis umzustrukturieren, sah Spieren bereits vor acht Jahren, als er die Praxis übernahm. „Fachkräftemangel ist im südöstlichen Westfalen nichts Neues.“ Der Anstoß für die Veränderung, um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu entlasten, müsse von der Praxisleitung kommen, ist der Facharzt für Allgemeinmedizin und für Allgemeinchirurgie überzeugt. Voraussetzung im Praxisverwaltungssystem sei es, dass eine gewisse Flexibilität da sei, um die Software an die Arbeitsabläufe anpassen zu können.

Dreh- und Angelpunkt Termin

„Es gibt kein System, das alles kann“, sagt Spieren, der mit x.isynet arbeitet. Den Online-Terminkalender holte er sich daher von einem Spezialanbieter, er entschied sich für samedi, und seitdem dreht sich alles in der konsequent durchdigitalisierten Praxisorganisation um die online gebuchten Termine.

Für Patienten stellt sich nach den Informationen Spierens der Kontakt mit der Praxis folgendermaßen dar:

  1. Nach der Terminbuchung bekommt der Patient oder die Patientin die passenden Unterlagen für die digitale Erstanamnese zugeschickt, sei es via E-Mail oder über die App, die es zum Online-Terminprogramm dazu gibt und die sich Patienten auf ihr Smartphone laden können. „Dadurch haben wir bereits vorab die wichtigsten Informationen, die wir sonst im Gespräch erst mühsam einholen müssen“, sagt Spieren. Und die Daten könnten zu Hause „am Küchentisch“ ganz entspannt zusammengestellt werden.
  2. Vor dem Termin kommt eine SMS zur Erinnerung aufs Handy, wenn der Patient vorher zugestimmt hat. Die Terminart wird dabei nicht genannt – ein Rückschluss auf die Krankheit ist nicht möglich. „Die SMS zur Terminerinnerung könnte auch an einen Pharmareferenten gehen, der die Praxis besuchen will“, erläutert Spieren.
  3. Der Check-in der Patientinnen und Patienten läuft in der Arztpraxis Spieren & Kollegen digital. Am Empfang gebe es eine kurze persönliche Begrüßung, dann melden sich die Patienten am Terminal an. Mit Smartphone und App gehe das sogar direkt mobil, wenn die Patienten sich im Umkreis der Praxis aufhalten. Zugleich wird auch die „Real-Time-Wartezeit“ berechnet – es ist für die Patienten damit auch möglich, in dieser Zeit noch Einkäufe zu erledigen oder spazieren zu gehen.
  4. Folgetermine, die absehbar sind, werden im System bereits vorbereitet, Termine wie Befundbesprechungen, für die eine persönliche Anwesenheit der Patienten nicht erforderlich ist, werden für eine Videosprechstunde vorgeschlagen, auch das spare Ressourcen im Praxisteam, sagt Spieren.

Privatpatienten wollen E-Rezept

Er macht Kolleginnen und Kollegen Mut, die Digitalisierung der Praxisabläufe anzugehen: „Digitalisierung und Telematikinfrastruktur, das sind zwei Paar Schuhe“, beides werde aber im Kopf häufig vermischt.

Seine Patienten wollten jedenfalls nicht mehr auf die Services verzichten, sagt Spieren. Und selbst das E-Rezept, das ja neuerdings auch über die eGK eingelöst werden könne, ermögliche so manche Komfortfunktion. So müssten Patienten nicht unbedingt für jedes Rezept in die Praxis kommen. Spieren: „Inzwischen fragen mich Privatpatienten, warum sie schlechter behandelt werden als Kassenpatienten.“

Vielleicht gefällt es Ihnen auch

Kostenfrei anmelden
1/4 Wählen Sie Ihre Anmeldeinformationen

Ihr Passwort muss mindestens enthalten:

8 Zeichen

Eine Zahl und einen Buchstaben

Ein Sonderzeichen

2/4 Geben Sie Ihre persönlichen Daten ein
4/4 Bestätigen

Kostenfrei anmelden

Melden Sie sich jetzt an und erhalten Sie exklusiven Zugang zu:

  • Live-Webinare und Webinar-Wiederholungen. Lernen Sie von Referenten aus der Zahnmedizin, die Experten auf Ihrem Gebiet sind.
  • Fortbildungsinhalte in einer Vielzahl von Formaten, die Ihnen helfen Ihre Fähigkeiten auszubauen und geschäftlichen Erfolg zu erzielen.
  • Unser Programm “Voice of Customer” ist maßgeblich mitverantwortlich, innovative Produkte zu entwickeln, die Ihren Bedürfnissen entsprechen
Erstellen Sie ein kostenloses Profil.
Jetzt anmelden Sie haben bereits ein Profil? Log in
Passwort vergessen?
Geben Sie Ihre E-Mail Adresse an.
Wir senden Ihnen einen Link, mit dem Sie Ihr Passwort zurücksetzen können.
Abbrechen
Abonnieren Sie unseren Newsletter